Der bisher unbekannte Erreger der hochansteckenden asiatischen Lungenentzündung ist nicht - wie bisher vermutet - ein Paramyxovirus, sondern gehört zur Gruppe der Coronaviren. Dies fand ein Team aus Virologen des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts und der Universität Frankfurt heraus.
Den Frankfurter Virologen war es Ende der vergangenen Woche gelungen,
Viren aus einer Probe des ersten Frankfurter SARS-Falles in Zellkultur zu vermehren. Am Bernhard-Nocht-Institut konnten nun mit Hilfe molekularer Methoden typische Genabschnitte von Coronaviren sowohl in der Patientenprobe wie auch in der Zellkultur nachgewiesen werden. Gleichzeitig identifizierten die Frankfurter Virologen das Virus mit Hilfe von
Antikörpertests. Das Bernhard-Nocht-Institut war als letztes der vier deutschen Laboratorien (Universität Frankfurt,
Universität Marburg, Robert Koch Institut, BNI) am Montag vergangener Woche in die Untersuchungen eingeschaltet worden.
In einer Telefonkonferenz am Dienstag nachmittag wurde der Befund durch Ergebnisse anderer Laboratorien des weltweiten WHO-Netzwerkes bestätigt. Auch in Proben von anderen SARS-Patienten wurden Coronaviren gefunden. Die endgültige Identifizierung des Virus war ein Kopf-an-Kopf-Rennen mehrerer unabhängiger Laboratorien, die mit individuellen Testverfahren an verschiedenen Patientenproben arbeiteten.
Das Bernhard-Nocht-Institut setzte für die molekulare Identifizierung des Virus ein eigens entwickeltes molekulares Verfahren ein, das besonders für neue und unbekannte Viren geeignet ist. In der PCR (Polymerasekettenraktion) werden genetische "Köder" eingesetzt (Sonden), die besonders konservierte Regionen der sog. Polymerase-Gene verschiedener Virusfamilien erkennen. Einmal geködert, kann der entsprechende Genabschnitt vermehrt und seine genaue Sequenz bestimmt werden. Der Genabschnitt aus der SARS-Viruspolymerase wurde mit Datenbank-einträgen verglichen und lässt sich eindeutig den Coronaviren zuordnen.
Die amerikanischen Centers for Disease Control (Atlanta) hatten einen Tag vor dem deutschen Ergebnis bei asiatischen Patienten mit anderen Methoden Genabschnitte von Coronaviren nachgewiesen. Entscheidend für die Sicherheit der Diagnose ist allerdings auch, dass
Antikörper aus dem
Blut des Frankfurter SARS-Patienten auf die in Zellkultur gezüchteten Viren reagierten. Damit kann das Virus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Erreger gelten.
Bei dem Virus der Frankfurter SARS-Patienten scheint es sich um ein bisher unbekanntes Coronavirus zu handeln. Die in Hamburg gefundene Gensequenz ist in den Gen-
Datenbanken bisher nicht verzeichnet. Nach der ersten Identifizierung des angezüchteten Virus aus der Zellkultur konnte das Virus am Bernhard-Nocht-Institut mit spezifischeren Testverfahren mittlerweile auch im Lungenspülwasser des Frankfurter Patienten und im Rachenabstrich seiner Ehefrau nachgewiesen werden. Der Rachenabstrich war der Ehefrau einen Tag vor Einsetzen des Fiebers entnommen worden.
Das aus anderen Patientenproben ebenfalls isolierte sogenannte Metapneumovirus aus der Gruppe der Paramyxoviren war in den Proben der Patienten aus Frankfurt nicht zu finden. Coronaviren gehören zu einer großen und sehr heterogenen Virusfamilie, die in der Natur bei Mensch und Tier verbreitet ist. Die Coronaviren des Menschen führten bisher lediglich zu Erkältungskrankheiten.