Neuer Ansatz für Umwelttest von Nutztiermedikamenten

28.07.2016 - Schweiz

Nutztiermedikamente können Dung abbauende Nützlinge schädigen. Deshalb müssen neu entwickelte Wirkstoffe im Labor an einzelnen Tierarten getestet werden. Evolutionsbiologen der Universität Zürich hinterfragen die Zuverlässigkeit solcher Laboruntersuchungen. Sie evaluierten an vier klimatisch unterschiedlichen Standorten die Umsetzung eines Freilandtests anhand des Parasiten-Medikaments Ivermectin. Das internationale Konsortium von Wissenschaftlern legt damit einen neuen Ansatz für ausgereiftere Umweltverträglichkeitstests vor.

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Blick auf die Experimente am Campus Irchel

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Dungfladen mit Dungorganismen, die einer spezifischen Konzentration von Ivermectin ausgesetzt sind.

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Nutztiermedikamente können Dung abbauende Nützlinge beeinträchtigen: Eine zu hohe Dosierung etwa von Ivermectin, einem Parasiten-Medikament, schädigt Dungorganismen. Die Giftigkeit neuer Nutztiermedikamente muss deshalb mittels ökotoxikologischer Tests an einzelnen Tierarten wie der Grossen Gelben Dungfliege, der Stallfliege oder am Dungkäfer überprüft werden. Dabei wird untersucht, welche Dosis für die Hälfte der sich entwickelnden Maden tödlich wirkt (LD50-Test). Es ist allerdings bekannt, dass die Empfindlichkeit gegenüber giftigen Substanzen selbst bei nah verwandten Dungorganismen stark variiert. Es stellt sich deshalb die Frage, wie repräsentativ die Reaktion einzelner Tierarten bei solchen Labortests ist. Denn das Risiko ist gross, dass empfindlichere Arten weiterhin durch die Substanz geschädigt werden und wichtige Ökosystemfunktionen langfristig Schaden nehmen.

Eine Forschergruppe um den UZH-Evolutionsbiologen Wolf Blanckenhorn hat deshalb unlängst vorgeschlagen, die Medikamententests auf eine repräsentative Auswahl aller Dung abbauenden Organismen auszudehnen – idealerweise in ihrer natürlichen Umgebung. Nun legt er gemeinsam mit internationalen Forscherkollegen einen neuen erfolgreichen Ansatz für einen umfassenderen ökotoxikologischen Test im Freiland vor. Die Studie liefert ausserdem wichtige Einsichten zur Risikominimierung von Medikamentenrückständen in der Natur.

Regenwürmer gleichen Ausfall von Dunginsekten aus

Für ihre Machbarkeitsstudie benutzten die Wissenschaftler Rinderweiden in der kanadischen Prärie sowie der südfranzösischen, niederländischen und schweizerischen Agrarlandschaft – vier Standorte mit unterschiedlichen klimatischen Bedingungen. Auf diesen Weiden verteilten sie Dungfladen mit unterschiedlicher Konzentration von Ivermectin. «Insgesamt nahmen erwartungsgemäss die Anzahl und Diversität der Dungkäfer, Dungfliegen und Schlupfwespen mit zunehmender Ivermectin-Konzentration signifikant ab», erklärt Wolf Blanckenhorn. Doch nicht wenige Arten stellten sich als unempfindlich heraus: Die unter den Kuhfladen im Boden lebenden Regenwürmer und Springschwänze wurden von den Medikamentenrückständen nicht nennenswert tangiert. Ein Parallelversuch zeigte schliesslich, dass der Dungabbau nicht signifikant beeinträchtigt wurde. «Offenbar konnten nicht so stark vom Medikament betroffene Nützlinge wie etwa Regenwürmer den Ausfall anderer Organismen kompensieren», bilanziert Wolf Blanckenhorn.

Entscheidungsgrundlage für Zulassungsbehörden

Ungeachtet der unterschiedlichen Umweltbedingungen und Methodendetails waren die Resultate in den vier Habitaten sehr ähnlich und reproduzierbar. «Unser Freilandansatz war somit erfolgreich und ist prinzipiell empfehlenswert. Die zuständigen Regulierungsbehörden, etwa die European Medicines Agency EMA, müssen nun entscheiden, ob dieser aussagekräftigere aber auch aufwändigere Test in Zukunft vorgeschrieben wird», so Wolf Blanckenhorn. Der Aufwand für die Bestimmung der zahlreichen Tierarten ist sehr gross und ohne biologisches Expertenwissen nicht möglich. «Eine genetische Artenbestimmung über sogenanntes DNA-Barcoding – denn jede Tierart hat einen einzigartigen Fingerabdruck – ist im Prinzip möglich und in Zukunft wahrscheinlich günstiger. Sie setzt jedoch die Erstellung einer vollständigen Datenbank für Dungorganismen voraus, die aber noch nicht existiert», schliesst Wolf Blanckenhorn. 

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