Im Körper ticken die Uhren anders: Neue Erkenntnisse zur Alterung von Gehirn- und Leberzellen

22.09.2015 - Deutschland

Altern scheint ein Phänomen zu sein, dass sich anhand der Anzahl der Jahre, Monate oder Tage seit der Geburt einfach bestimmen lässt. Aber die Zeitrechnung für Zellen innerhalb des Körpers ist anders. Ein internationales Team aus Wissenschaftlern um Alessandro Ori, seit September Forschungsgruppenleiter am Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena, hat nun Leber- und Gehirnzellen jugendlicher Ratten (6 Monate) mit alten Ratten (24 Monate) verglichen.

„Neuartig an der Studie ist, dass wir uns nicht wie die meisten Vorgängerstudien nur mit der Genexpression beschäftigt, sondern mehrere Methoden miteinander kombiniert haben“, erläutert Ori die Besonderheit des Forschungsansatzes. Gemessen wurde, welche Teile des Genoms transkribiert (also „ausgelesen“) wurden, welche und wie viele Proteine die Zellen daraufhin produziert haben und welche chemischen Marker den Proteinen danach zugewiesen wurden. „Dieser Mehrmethodenansatz hat sich als besonders effektiv herausgestellt, weil wir auf diese Weise sehen konnten, wir der Alternsprozess ganze Netzwerke von Reaktionen hervorruft“, erklärt Ori weiter.

Es gibt beispielsweise Reaktionen, die sowohl in Leber- als auch in Gehirnzellen vorkommen: Immun- und Entzündungsreaktionen ebenso wie Stressantworten. Da die beiden Organe sich in Funktionalität, Regenerationsfähigkeit und Aufbau sehr stark unterscheiden, kann davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei möglicherweise um generelle Prozesse handelt, die im gesamten Körper das Altern von Zellen beeinflussen.

Gleichzeitig gibt es klare Unterschiede zwischen den Organen. In der Leber waren bei alten Ratten Veränderungen des Stoffwechsels zu beobachten, die insbesondere den Umgang von Zellen mit Molekülen betrafen und das „Auslesen“ des Genoms beeinflussen. Im Gehirn wiederum zeigten sich die stärksten Alternseffekte bei der Proteinproduktion, die die Signalprozesse zwischen den Neuronen und ihre Kommunikation untereinander beeinflussen. „Wir konnten zeigen, dass alternsbedingte Veränderungen oft mit einem Verlust von Molekülen einhergehen, die für die Signalweiterleitung zwischen Neuronen wichtig sind. Dies könnte erklären, warum bei alten Ratten die Fähigkeit abnimmt, neue neuronale Verbindungen herzustellen“, erklärt Martin Beck, der zusammen mit Alessandro Ori die Arbeiten am EMBL geleitet hat. Dies könnte auch beim Menschen für die verminderte Bildung neuronaler Verbindungen im Alter und die damit verbundene Reduktion der Gehirnleistung von Bedeutung sein.

„Die Erkenntnis, dass organspezifische Unterschiede das Altern beeinflussen, ist besonders interessant“, betont Lenhard Rudolph, Wissenschaftlicher Direktor des FLI. „Wir wissen heute nur wenig über die organspezifischen Ursachen des Alterns. Die Studie von Alessandro Ori liefert hier grundlegende Erkenntnisse, die eine neue Basis darstellen für unser Ziel, die Funktion von Organen im Alter zu verbessern.“

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