Auf halbem Weg zwischen Bakterium und Baum
Wie sich die Protein-Transportmaschinerie in den Chloroplasten höherer Pflanzen entwickelte
© modifiziert nach The Plant Cell, American Society of Plant Biologists
© Chantal Träger
Das SRP-System leitet neue Proteine an ihren Arbeitsort
In der Zellflüssigkeit befördert eine spezielle Transportmaschinerie Proteine von ihrem Entstehungsort an ihren Arbeitsort, zum Beispiel in die Zellmembran. Entscheidend dabei ist das sogenannte SRP-System. Es bindet an das zu transportierende Protein, wandert mit ihm zur Zellmembran und interagiert dort mit dem SRP-Rezeptor (FtsY). Bindet das SRP-System an den Rezeptor, kommt es durch Spaltung des Energiespeichermoleküls GTP zu weiteren Prozessen, die schließlich das Protein in der Membran verankern.
Vom Cyanobakterium zum Chloroplasten
In der Zellflüssigkeit von Bakterien, Tieren und Pflanzen besteht das SRP-System aus zwei Komponenten: dem Protein SRP54 und der Ribonukleinsäure SRP-RNA. Vor einigen Jahren fanden Forscher heraus, dass die Chloroplasten höherer Pflanzen, also die Photosynthese-treibenden Zellbestandteile, ein eigenes SRP-System besitzen. Es unterscheidet sich stark von dem System der Zellflüssigkeit. Denn es besitzt keine SRP-RNA, sondern neben dem SRP54 zusätzlich das Protein SRP43, das ausschließlich in Chloroplasten vorkommt. Wissenschaftler nehmen an, dass Chloroplasten aus Cyanobakterien entstanden, die zunächst in Symbiose mit pflanzlichen Vorläuferzellen lebten und schließlich in die Pflanzenzellen integriert wurden. Wie das RNA-lose SRP-System der Chloroplasten aus dem RNA-haltigen SRP-System der Bakterien entstand, haben die Wissenschaftler nun erforscht.
Pflanzenreich bioinformatisch durchsucht
Die Bochumer Biologen und Dr. Magnus Rosenblad von der Universität Göteborg schauten zunächst mit Hilfe der Bioinformatik, welche Vertreter im Pflanzenreich welche Komponenten des SRP-Systems in ihren Chloroplasten aufweisen. "Wir waren erstaunt, dass viele Organismen von einzelligen Grünalgen über Moose bis hin zu Farnen das Gen für die SRP-RNA in ihren Chloroplasten besitzen", sagt Danja Schünemann. "Die einzige Ausnahme sind die höheren Pflanzen, die dieses Gen verloren haben." Bei ihnen besteht das SRP-System einzig und allein aus den Proteinen SRP54 und SRP43. SRP43 kommt aber auch in den Chloroplasten der niederen Pflanzen vor, die noch mit SRP-RNA ausgestattet sind.
SRP-RNA im Moos hat ihre Funktion teilweise eingebüßt
In Zusammenarbeit mit mehreren Gruppen des SFB 642 an der RUB untersuchte Dr. Chantal Träger die Biochemie des Mooses Physcomitrella patens, das zu den niederen Pflanzen zählt. Physcomitrella besitzt in den Chloroplasten alle denkbaren Komponenten des SRP-Systems: sowohl die evolutionär alten Komponenten SRP54 und SRP-RNA, als auch das evolutionär neuere Protein SRP43. Die SRP-RNA der Moos-Chloroplasten bildet jedoch eine längere Schlaufe als die bakterielle SRP-RNA. Diese veränderte Struktur behindert sie scheinbar darin, die Spaltung von GTP zu regulieren. Physcomitrella patens enthält also die evolutionär alte SRP-RNA, die aber bestimmte Funktionen weitgehend verloren hat. Das SRP-System der Chloroplasten von Physcomitrella patens repräsentiert also den Übergang zwischen Bakterien und höheren Pflanzen. Eine Röntgenstrukturanalyse ergab des Weiteren, dass der SRP-Rezeptor (FtsY) des Mooses bereits Eigenschaften des Proteins bei höheren Pflanzen aufweist.