Sternenstaub im Badezimmer

Empa-Forschende und Biotech-Start-up entwickeln Nanokeramik gegen Hautkrankheiten

07.10.2024

Weitverbreitete Hautkrankheiten wie Schuppenflechte oder Neurodermitis sind schwierig zu behandeln. Empa-Forschende haben gemeinsam mit einem Industriepartner eine innovative Lösung gefunden: Nanokeramik-Sterne setzen winzige Hautwunden und erlauben Nukleinsäure-Molekülen an ihren Wirkungsort zu gelangen.

Empa

Spitz und effizient: Die Nanokeramik-Sterne gehen unter die Haut.

Wenn Materialwissenschaftler in die Sterne blicken, können sie unter Umständen die Zukunft erkennen – und zwar dann, wenn es um Sterne aus Nanokeramik geht. Empa-Forscher in Dübendorf und Thun entwickeln gemeinsam mit dem Industriepartner Aldena Therapeutics innovative Behandlungsverfahren für weit verbreitete Hautkrankheiten. Das Team setzt auf nanokeramische Sterne, die «durch die Haut gehen». Gefördert wird das Vorhaben von der Innosuisse.

Therapien in die Haut schleusen

Das Problem: Moderne Wirkstoffe gelangen nicht tief genug in die betroffenen Hautschichten, wenn sie in herkömmliche Salben oder Lotionen aufgebracht würden. Könnte man die Haut jedoch kurzfristig durchgängig machen, liessen sich die grossen therapeutisch wirksamen Moleküle an ihr Ziel schleusen. Zum Einsatz für neue Therapien kommen beispielsweise siRNA-Moleküle, kurz für «small interfering RNA». Diese Moleküle können durch gezielte Interaktionen mit der körpereigenen Boten-RNA (mRNA) zur Regulierung der Proteinproduktion beitragen. Dadurch können in Krankheitsprozesse eingreifen und schädigende Vorgänge blockieren. Medikamente mit diesem Wirkprinzip existieren bereits für einige Stoffwechselstörungen und Erbkrankheiten.

Für die Anwendung derartiger siRNAs in modernen Therapien suchte Aldena Therapeutics mit Sitz in Boston, London und Lausanne nach einem wirksamen Verfahren, um Wirkstoffe in – oder besser: unter – die Haut zu bringen. Die Empa-Forscher Michael Stuer vom «High Performance Ceramics» Labor und Patrick Hoffmann vom «Advanced Materials Processing» Labor setzten daher Nanokeramik aus Aluminiumoxid-Partikeln ein, um daraus eine dreidimensionale, scharfkantige Form zu erzeugen. Nach dem Sintern entstanden so dreiarmige Sterne mit einem Durchmesser von rund 0.8 Millimetern, mit denen sich die Hautbarriere für die siRNA-Moleküle vorübergehend öffnen lässt. «Die 3D-Sterne mit spitz zulaufenden Armen sorgen für Mikro-Blessuren in der Haut, die sich schnell wieder von selbst schliessen», erklärt Michael Stuer. Es bleibt aber genug Zeit, damit die Wirkstoffmoleküle in die Haut eindringen können.

Kosteneffizient und nachhaltig

Dem Empa-Team gelang es im Projekt «StarCURE», die Sterne in einem präzisen Winkel gewölbt herzustellen. Auf diese Weise «rollen» die Sterne beim Auftragen über die Haut, verkanten sich schnell und erzeugen so mehr Mikro-Öffnungen in der Haut als flächige Gebilde.

Appliziert werden die Nanokeramik-Sterne in einem Gel. Wenige Sekunden nach dem Auftragen auf die Haut wird das überschüssige Gel bereits wieder entfernt. Michael Stuer, der das Sternen-Gel selbst getestet hat, bestätigt die Aussage von bisherigen Versuchspersonen: «Es fühlt sich an wie ein Schrubben auf der Haut».

Entscheidend für den Einsatz als Therapie war zudem ein kosteneffizienter Herstellungsprozess. Müssten die Sterne nämlich etwa mittels Laserverfahren produziert werden, wäre der Preis zu hoch. Kurzerhand entwickelten die Empa-Forschenden Polymer-Gussformen, mit denen sich grosse Fertigungsmengen deutlich schneller und einfacher herstellen lassen. Mit diesem Skalierungsprozess für den industriellen Massstab ist es möglich, die Herstellungskosten stark zu senken. Vor kurzem haben die Forschenden das Verfahren zum Patent angemeldet.

Medikamente ohne Piks

Doch Empa und Aldena Therapeutics wollen noch weitergehen: In einem nächsten Schritt möchte Stuer die Rezeptur ändern, damit die Nanokeramik-Sterne bio-abbaubar werden oder nach der Anwendung zu (Sternen-)Staub zerfallen. Das aktuelle keramische Material könnte in Zukunft an ein Biopolymer gebunden oder durch ein Bioglas ersetzt werden. Dies würde das Anwendungsgebiet erheblich ausweiten. «Die Patientinnen und Patienten könnten die Therapie-Sterne nach der Anwendung dann einfach abwaschen», so Stuer.

Und schliesslich ist das Anwendungsgebiet nicht auf Hautkrankheiten beschränkt. Ein Beispiel: Bis zu 30 Prozent aller Kinder und jungen Erwachsenen leiden unter einer Spritzenphobie. Den Betroffenen ein Mittel mittels Injektion zu verabreichen, löst bei ihnen grosse Ängste bis hin zur Ohnmacht aus. Im medizinischen Alltag ist dies für alle Beteiligten eine Herausforderung. Auch für diese Personen könnten die Nanokeramik-Sterne eine gute Lösung sein, um einfach und ohne Piks mit den nötigen Medikamenten oder Impfstoffen versorgt zu werden, so der Empa-Forscher.

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