Wie sterbende Zellen gefährliche Immunreaktionen verhindern

14.01.2020 - Deutschland

Sterbende Körperzellen können das Immunsystem in Schach halten und verhindern so unerwünschte Immunreaktionen gegen den eigenen Körper. Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum haben jetzt einen Rezeptor auf Immunzellen von Mäusen identifiziert, der diesen Schutzmechanismus aktiviert und so gefährliche Autoimmunreaktionen verhindern kann, bei denen sich das Abwehrsystem gegen körpereigene Strukturen richtet.

© DKFZ

DKFZ-Forscher haben herausgefunden, wie apoptotische Zellen gefährliche Immunreaktionen verhindern

Täglich sterben im menschlichen Körper Milliarden von Zellen. Dies geschieht durch einen streng regulierten Prozess, der als Apoptose – programmierter Zelltod – bezeichnet wird. Die sterbenden Zellen konfrontieren das Immunsystem mit großen Mengen an Proteinen, die eigentlich die Immunabwehr auf den Plan rufen müssten. Doch offenbar unterdrücken apoptotische Zellen aktiv das Immunsystem, damit es sich nicht gegen Strukturen des eigenen Körpers richtet. „Wir haben uns bereits vor vielen Jahren die Frage gestellt, welcher Schutzmechanismus Autoimmunreaktionen, also Angriffe gegen körpereigenes Gewebe, verhindert, wenn Zellen des Immunsystems, etwa dendritische Zellen, die Überreste der abgestorbenen Zellen aufnehmen“, sagt Peter Krammer, Immunologe vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

Vor kurzem hatte das Team um Krammer und Heiko Weyd eine Antwort darauf gefunden: Gleich beim Einleiten der Apoptose befördern die sterbenden Zellen Proteine aus der Familie der Annexine an die Oberfläche. Die Annexine wirken wie ein Stoppsignal auf die Zellen des Immunsystems und verhindern, dass eine Abwehrreaktion ausgelöst wird.

Jetzt konnte Kevin Bode aus Krammers Abteilung das Protein Dectin-1 als den Annexin-bindenden Rezeptor auf der Oberfläche dendritischer Zellen identifizieren: Dectin-1 erkennt die Annexine und löst in dendritischen Zellen eine Signalkette aus, die letztlich die Immunreaktion unterdrückt.

Mäuse, die kein Dectin-1 auf der Oberfläche ihrer dendritischen Zellen tragen, zeigten eine verstärkte Abwehrreaktion gegenüber sterbenden, apoptotischen Zellen. Zudem entwickeln die Mäuse ohne Dectin-1 im Alter Anzeichen von Autoimmunkrankheiten.

Die DKFZ-Wissenschaftler haben damit einen wichtigen Kontrollmechanismus für die „Selbsttoleranz“ des Immunsystems entdeckt. „Wir gehen aber davon aus, dass der Körper noch über weitere Schutzfunktionen verfügt, die Autoimmunreaktionen verhindern. Deshalb macht sich der Dectin-1 Verlust erst bei älteren Mäusen bemerkbar“, so Bode.

„Interessanterweise kommt Dectin-1 eine Doppelfunktion zu“, sagt Peter Krammer. Dectin-1 bindet nicht nur Annexine, sondern – mit einer anderen Bindungsstelle – auch bestimmte Krankheitserreger. Dies bewirkt die gegenteilige Reaktion und löst eine Immunreaktion aus. „Damit haben wir einen entscheidenden Kontrollpunkt im Immunsystem („Checkpoint“) identifiziert, der – je nach Bindungspartner – entweder die Immunreaktion auslöst oder unterdrückt“, betont Krammer die Bedeutung der Arbeit.

Ein wichtiges Glied in der Dectin-1-Signalkette ist das Enzym NADPH-Oxidase-2. Menschen, denen dieses Enzym fehlt, entwickeln Autoimmunerkrankungen. Die DKFZ-Forscher untersuchen daher derzeit in Kooperation mit dem Kinderspital Zürich und dem Universitätsklinikum Heidelberg Blutproben von Patienten mit NADPH-Oxidase-2-Mangel, um neue Ansatzpunkte für mögliche Therapien zu finden.

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