Auf der Suche nach Universal-Grippeimpfstoffen – Neuraminidase unterschätzt?

26.06.2018 - Deutschland

Grippeimpfstoffe enthalten Antigene der Virusoberflächenproteine Hämagglutinin und Neuraminidase. Stand bislang vor allem das sich ständig verändernde Hämagglutinin für den Impfschutz und daher bei der Zusammensetzung der Influenzaimpfstoffe im Fokus, hat jetzt die stärker konservierte Neuraminidase das Interesse der Wissenschaftler geweckt. Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts haben aufgezeigt, dass sich Neuraminidase besser als bisher angenommen eignen könnte, als Bestandteil der Impfstoffe einen Schutz vor der Grippe zu bewirken.

Boller/Paul-Ehrlich-Institut

Influenza-Viren

Influenza (Virusgrippe) ist eine ernst zu nehmende Infektionskrankheit. Die saisonalen Grippewellen sind jedes Jahr weltweit für 250.000 bis 500.000 Todesfälle verantwortlich. Auch in Deutschland kommt es jedes Jahr zu Todesfällen. Die saisonale Grippewelle wird von unterschiedlichen Subtypen der Influenzaviren des A- und des B-Typs verursacht. Diese Influenzavirusstämme unterscheiden sich u.a. in ihren Oberflächenproteinen Hämagglutinin und Neuraminidase.

Die aktuell zugelassenen inaktivierten Impfstoffe gegen die saisonale Influenza sind vor allem auf die Immunantwort gegenüber Hämagglutinin ausgerichtet. Hierfür ist in der Zulassung festgelegt, wie viel Hämagglutinin als Impfstoff-Bestandteil (Antigen) enthalten sein muss. Nachteil dieses Antigens: Es verändert im Verlauf einer Grippesaison seine Oberflächenstruktur und die saisonalen Grippeimpfstoffe schützen dann unter Umständen nicht mehr vor den Viren mit veränderten Oberflächenproteinen. Dies ist mitverantwortlich dafür, dass jährliche Stammanpassungen in den Impfstoffen notwendig sind und jedes Jahr erneut geimpft werden muss. Anders bei der Neuraminidase: Sie ist in den Influenzaviren stärker konserviert, verändert sich also weniger häufig. Ihr immunogenes Potenzial – die Fähigkeit, eine Immunantwort auszulösen – war bislang jedoch nicht im Fokus. Daher werden in den heutigen Grippeimpfstoffen auch keine definierten Mengen der Neuraminidase gefordert.

Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts um Prof. Veronika von Messling, Leiterin der Abteilung Veterinärmedizin des Paul-Ehrlich-Instituts, haben in Zusammenarbeit mit Forschern des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) und des Instituts für Virologie und Immunologie in Mittelhäusern, Schweiz, das Potenzial des Neuraminidase-Antigens untersucht, eine Immunantwort und damit einen Infektionsschutz auszulösen. Für ihre Untersuchungen nutzten sie das „Vesikuläre Stomatitis Virus“ (VSV) als Überträger- oder Vektorimpfstoff, um eine Immunantwort gegen Hämagglutinin- und Neuraminidase-Proteine verschiedener Influenzavirusstämme hervorzurufen. Mit diesen Hämagglutinin- bzw. Neuraminidase-spezifischen VSV impften die Wissenschaftler Mäuse und Frettchen. Das Ergebnis: Die Tiere, die gegen Neuraminidase geimpft worden waren, waren gegenüber den Influenzaviren mit dem identischen Neuraminidase-Subtyp ebenso gut geschützt wie die Tiere, deren Impfung sich gegen das exakt passende Hämagglutinin-Protein gerichtet hatte. Dadurch führten diese Neuraminidase-basierten Impfstoffe sogar zur Immunität gegenüber Influenzaviren mit einem anderen Hämagglutinin-Subtyp (Kreuzprotektion), solange sie weiterhin den gleichen Neuraminidase-Subtyp trugen. Dieser Schutz ließ sich über den Blutspiegel kreuzreaktiver Neuraminidase-hemmender Antikörpertiter vorab prognostizieren.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Neuraminidase-Antigene durchaus das Potenzial besitzen, einen Beitrag zur Entwicklung von Grippeimpfstoffen mit einem breiteren Schutz zu leisten“, erläutert von Messling die Ergebnisse. Im nächsten Schritt wolle sie versuchen, das Neuraminidase-Protein so zu verändern, dass es eine schützende Immunantwort gegen alle Viren des gleichen Subtyps erzeugt. Solche optimierten Neuraminidase-Antigene könnten die Schutzwirkung der heutigen Grippeimpfstoffe verbessern.

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