Eine Frage der Enge - nicht der Menge

Einzelne Bakterienzellen sind zu Quorum Sensing in der Lage, wenn sie in kleine Volumina eingeschlossen werden

13.07.2009 - USA

Infektionen von Wunden, aber auch Lungenentzündungen werden besonders in Krankenhäusern oft von dem Keim Pseudomonas aeruginosa hervorgerufen. Ab einer bestimmten Bakteriendichte produzieren Kolonien dieses Keims Virulenzfaktoren und können in einen schleimigen Zustand übergehen, einen Biofilm, der das Eindringen von Antibiotika verhindert. Der Prozess, mit dessen Hilfe Zellen die Zelldichte „spüren“, bezeichnet man als „Quorum Sensing“. Er wird ausgelöst, wenn die Konzentration bestimmter, von den Bakterien abgesonderter Signalstoffe einen Schwellenwert übersteigt. Ein Team von der University of Chicago um Rustem F. Ismagilov konnte nun zeigen, dass die absolute Menge an Zellen dabei unerheblich ist, einzig ihre Anzahl pro Volumeneinheit spielt eine Rolle. Wie das Team in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichtet, konnten die Forscher sogar Quorum-Sensing-Vorgänge bei einzelnen Zellen auslösen, wenn diese in extrem kleinen Volumina eingeschlossen waren.

Der Begriff Quorum Sensing leitet sich ab vom lateinischen quorum, in der Politik ist dies die Anzahl Stimmen, die erreicht sein muss, damit eine Wahl oder Abstimmung Gültigkeit hat. In der Biologie ist Quorum Sensing als Prozess definiert, durch den Zellen in der Lage sind, die Anreicherung eines Singalstoffs festzustellen und bei Überschreiben eines Schwellenwertes ihr Verhalten zu ändern. Herkömmlicherweise wird angenommen, dass Quorum Sensing Mikroorganismen dabei hilft, Prozesse zu koordinieren, die bei einzelnen Zellen ineffizient wären, wie die Bildung von Biofilmen, oder zu verhindern, dass zu viele Bakterien einen zu kleinen Raum besiedeln. Die Arbeiten von Ismagilovs Team zeigen nun aber, dass Quorum Sensing auch durch eine einzelne Zelle ausgelöst werden kann, wenn diese in einem extrem engen Raum eingeschlossen ist.

Um Quorum Sensing zu erforschen, kann man zwei verschiedene Ansätze verfolgen: Erstens kann man ein makroskopisches Volumen mit Bakterien versetzen und warten, bis sie durch Zellteilung die notwendige Population erreichen. Zweitens kann man wenige Zellen in ein extrem winziges Volumen einschließen. Da sie nicht von der Zelle wegdiffundieren können, reichern sich abgesonderte Signalstoffe um die Zelle herum an. „Bisher wurde fast immer nach der ersten Strategie vorgegangen. So hat sich die allgemeine Ansicht etabliert, dass es sich beim Quorum Sensing um einen Prozess handelt, der das kollektive Verhalten von großen Zellzahlen koordiniert,“ sagt Ismagilov. „Was dabei oft übersehen wird: Auch kleine Gruppen von Bakterien könnten Quorum Sensing auslösen, wenn sie in einem kleinen Volumen eingeschlossen sind. Die Quorum-Sensing-Stoffwechselwege sind für eine ganze Reihe zellulärer Funktionen relevant, wie das Wachstum kleiner Zellzahlen beim Beginn der Biofilmbildung oder anfänglichen Stadien einer Infektion.“

Mit einer mikrofluidischen Versuchsanordnung gelang es dem Team, Tröpfchen mit einem Volumen von etwa 100 Femtolitern abzutrennen, die jeweils eine einzelne oder einige wenige Zellen Pseudomonas aeruginosa enthielten. Auch bei diesen extrem kleinen Zellzahlen beobachteten die Forscher in vielen Fällen, dass Quorum Sensing ausgelöst wurde. „Dies widerlegt eindeutig die Vorstellung, dass dafür Millionen von Zellen notwendig sind,“ sagt Ismagilov.

Originalveröffentlichung: Rustem F. Ismagilov et al.; "Microfluidic Confinement of Single Cells of Bacteria in Small Volumes Initiates High-Density Behavior of Quorum Sensing and Growth and Reveals Its Variability"; Angewandte Chemie 2009, 121, No. 32

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