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Erbrechen



  Erbrechen ist die schwallartige Entleerung des Magen- oder Speiseröhreninhaltes entgegen der natürlichen Richtung durch die Speiseröhre und den Mund. Es ist meist mit einem brennenden Gefühl in der Speiseröhre (Sodbrennen) verbunden, das durch den säurehaltigen Magensaft verursacht wird.

Die medizinischen Fachbegriffe für das Erbrechen sind die Emesis (älteres Griechisch ἔμεσις) und der Vomitus (lateinisch). Aus dem Lateinischen ist auch die deutsche (vornehme) Bezeichnung „Vomitation“ gebräuchlich. Vom Lateinischen ins Deutsche übernommen und auch synonym verwendet wird gelegentlich die begrifflich breitere Regurgitation („regurgitieren“), welche allerdings nicht unbedingt zum Austritt der regurgitierten Flüssigkeit aus dem Mund führen muss, sondern bei Einatmen auch zur Aspiration des Saftes führen kann.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Das Erbrechen wird durch einen komplizierten Fremdreflexmechanismus vom Brechzentrum (u. a. der Area postrema) in der Medulla oblongata des Hirnstammes gesteuert. Beim Brechreflex sind der neunte und zehnte Hirnnerv (der Nervus glossopharyngeus und der Nervus vagus), Nerven der Atemwege, Nerven für die Bauchmuskeln und das Zwerchfell aktiviert.

Medikamente und äußere Reize

Erbrechen kann durch die Verabreichung von Emetika oder indirekt über die Rachenhinterwand- oder Magenschleimhaut, die Geruchs- oder Geschmacksorgane oder über das Gleichgewichtsorgan ausgelöst werden, aber auch als psychovegetative Reaktion auf optische oder akustische Reize.

Erkrankungen des Gehirns

Auch eine direkte Reizung des Brechzentrums z. B. durch erhöhten Hirndruck, chemische Stoffe oder diffuse andere Hirnerkrankungen kann Erbrechen auslösen.

Erkrankungen der Verdauungsorgane

Die Ursachen des Erbrechens sind vielfältig und reichen von vorübergehenden Magen-Darm-Infekten zu schwerwiegenderen Erkrankungen wie zum Beispiel chronischen Speiseröhren- oder Magen- und Darmerkrankungen. Auch durch Medikamente (sogenanntes medikamenteninduziertes Erbrechen, vor allem durch Zytostatika) und bei Vergiftungen (z. B. durch Pilze oder bei übermäßiger Alkoholzufuhr) kann es zu Erbrechen kommen.

Vor allem bei kleinen Kindern können auch Hustenanfälle Erbrechen auslösen. Nach der Gabe von Chemotherapien bzw. nach Strahlentherapie bei Krebs treten Übelkeit und Erbrechen entweder sofort oder verzögert nach einigen Tagen auf. In der heutigen Medizin wird dies jedoch weitestgehend durch die vorsorgliche Gabe von Gegenmitteln (hier Antiemetika) verhindert. Eine andere Ursache für Übelkeit und Erbrechen können Stoffwechselentgleisungen sein: Urämie, Leberversagen, Blutzuckerveränderungen. Erbrechen ist einer der häufigsten Beratungsanläße in einer allgemeinmedizinischen Praxis.[1]

Psychische Störungen

Willentlich herbeigeführtes Erbrechen kann ein Symptom einer Essstörung wie der Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa sein, aber auch bei anderen psychischen Störungen wie dissoziativen Störungen und hypochondrischen Störungen auftreten.

Erbrechen während der Schwangerschaft

Schwangerschaftserbrechen und Hyperemesis gravidarum.

Erbrechen bei Tieren

Bei einigen Tierarten wird das Erbrechen verwendet, um Nahrung an andere Artgenossen weiterzugeben (Trophallaxis) oder auch, um mit der Zeit aufgenommene (unverdauliche) Haarballen zu entsorgen, so zum Beispiel bei Katzen.

Folgen und Komplikationen

Beim Erbrechen geht Flüssigkeit und Magensäure verloren, so dass es zu einem Mangel an Flüssigkeit und Elektrolyten im Körper kommen kann. Auch kann es durch das Erbrechen zu einer Reizung der Speiseröhre und zu einem Einriss in der unteren Speiseröhre kommen (Mallory-Weiss-Syndrom, Boerhaave-Syndrom). Bei häufigem Erbrechen können auch die Zähne in Mitleidenschaft gezogen werden. Beim Erbrechen ist die Aufnahme von Wirkstoffen über den Magen und Darm nicht gewährleistet, so dass ein anderer Weg der Wirkstoffzufuhr gewählt werden sollte (intravenös, subkutan etc.).

Erkrankungen

 

Magen- und Darmerkrankungen

Gehirnkrankheiten

Stoffwechselentgleisungen

Äußere Ursachen

Behandlung

Die Behandlung des Erbrechens sollte sich nach den Ursachen richten. Bei Gleichgewichtsstörungen werden erfolgreich Antihistaminika (z. B. Diphenhydramin und Doxylamin) oder Anticholinergika (z. B. Scopolamin) eingesetzt. Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit einem Migräne-Anfall werden üblicherweise mit Prokinetika (z. B. Metoclopramid und Domperidon) behandelt, die zusätzlich die Aufnahme von Migränetherapeutika beschleunigen. Bei Erbrechen im Rahmen der Chemotherapie maligner Tumore mit Zytostatika sind Setrone (5-HT3-Antagonisten, z. B. Ondansetron und Tropisetron) und das Kortikoid Dexamethason wirksam. Bei psychischen Essstörungen (Anorexia nervosa und Bulimie) ist eine psychiatrische Abklärung wichtig.

Problematisch bei der Behandlung des Erbrechens ist die mangelhafte Aufnahme von Medikamenten, die in Form von Tabletten oder Tropfen gegeben werden. In leichteren Fällen die genügt die rektale Verabreichung eines Antiemetikums wie Domperidon oder Diphenhydramin als Zäpfchen. In schwereren Fällen kann eine parenterale Medikamentengabe und zusätzlich ein Flüssigkeits- und Salzausgleich notwendig sein.

Die Art des Erbrochenen kann diagnostisch bedeutsam sein, so z. B. bei:

Bei Vergiftungen kann das Erbrochene wichtige Hinweise auf deren Ursache geben.

Hausmittel

Bei leichtem und nicht lange anhaltendem Erbrechen (z. B. durch einen Magen-Darm-Virus, verdorbenes Essen oder ungefährliche Mengen Alkohol) ist es empfehlenswert, ein oder zwei Tage nichts zu essen und nur Wasser, ungezuckerten Kräutertee oder schwachen Schwarztee zu trinken. Als Hausmittel haben sich schwacher Schwarztee und nach ein paar Stunden trockenes, ungetoastetes Toastbrot eingebürgert. Nach etwa einem Tag kann dann problemlos Brühe eingenommen werden. Als Alternative zum faden Geschmack des Tees bietet sich ab dem zweiten Tag Cola ohne Kohlensäure (durch längeres Rühren) an. Der Speiseplan sollte für die nächsten Tage zunächst mageres Essen bieten, bis sich der Magen erholt hat. Ebenso ist Ingwer ein wirksamer pflanzlicher Wirkstoff gegen Erbrechen und die vorhergehende Übelkeit.

Therapeutisches Erbrechen

In der Schulmedizin

Bei einer akuten Vergiftung versucht man, durch induziertes Erbrechen die Resorption des Giftes zu verringern bzw. zu verhindern.

Diese Maßnahme darf nicht durchgeführt werden bei (Kontraindikationen):

  • Bewusstseinsstörung des Patienten
  • Vergiftung mit Säuren oder Laugen (zusätzliche Schädigung durch zweiten Kontakt mit Speiseröhre und Mund)
  • Vergiftungen mit schaumbildenden Stoffen oder organischen Lösungsmitteln (wegen Aspirationsgefahr)
  • Atem-/Kreislaufstörungen

Das Erbrechen kann dabei mit folgenden Stoffen ausgelöst werden:

  • Ipecacuanha-Sirup - bei Kindern und Erwachsenen anzuwenden, Latenz von 20-30 Minuten. Keine vorherige therapeutische Gabe von Aktivkohle.
  • Apomorphin - bei Kindern kontraindiziert
  • Kochsalzlösung (wegen möglicher Natrium-Vergiftung nicht mehr empfohlen!)

Der Stellenwert des therapeutischen Erbrechens bei der akuten Vergiftung hat zugunsten von Maßnahmen wie der Magenspülung und vor allem der Gabe von Aktivkohle stark abgenommen, da diese Maßnahmen mit weniger Komplikationen verbunden sind.

In der alten Medizin und in der Konstitutionstherapie

Dem Brechverfahren wurde in der alten Medizin eine riesige Bedeutung beigemessen. Der bedeutende Arzt Bernhard Aschner, der die alte Medizin in der Konstituationstherapie wieder hat aufleben lassen, bezeichnet das Brechverfahren als „eines der mächtigsten, unentbehrlichsten und oft entscheidend lebensrettenden Heilmittel“. Christoph Wilhelm Hufeland bezeichnete das Brechmittel (zusammen mit Aderlass und Opium) zu den drei Heroen der Heilkunst, ohne die er nicht Arzt sein wollte; bei Avicenna heisst es: „Vomitus fortis infantium curatio“ (Erbrechen ist für Kinder ein mächtiges Heilmittel); Hippokrates von Kos beschrieb das Brechverfahren als eines der wichtigsten Heilmittel für Geisteskrankheiten.

Aschner beschreibt ein breites Indikationsgebiet für das Brechverfahren:[2]

  • Krankheiten im Bereich des Kopfes, des Mundes und des Halses
  • Lungenkrankheiten
  • Herzkrankheiten
  • Magenkrankheiten
  • Gallenleiden
  • Infektionskrankheiten
  • Hautkrankheiten
  • Gelenkleiden und Rheumatismen
  • Kinderkrankheiten
  • Nervenkrankheiten
  • Geistesstörungen

Angst vor dem Erbrechen

Die krankhafte Angst vor dem Erbrechen nennt man Emetophobie.

Kulturelle Aspekte

Das Erbrechen spielt weltweit in vielen magischen bzw. ekstatischen Praktiken ein wichtige Rolle und wird dabei unter anderem als eine Form der Katharsis oder Mimesis betrachtet. Unter diesem Aspekt wurde das „Kotzen“ von dem Tübinger Ethnologen Thomas Hauschild untersucht. Neben dem Wort „Kotzen“ sind weitere umgangssprachliche Begriffe dafür bekannt: Die Schüssel besprechen, Reihern, Würgen, Speiben, rückwärts essen, Übergeben oder Einen Würfelhusten haben, Bröckchen lachen sowie Sich noch einmal alles durch den Kopf gehen lassen.

Quellen

  1. Nach W. Fink, G. Haidinger: Die Häufigkeit von Gesundheitsstörungen in 10 Jahren Allgemeinpraxis. Z. Allg. Med. 83 (200) 102-108. Zitiert nach „Womit sich Hausärzte hauptsächlich beschäftigen.“ MMW-Fortschr. Med. Nr. 16/2007 (149. Jg.)
  2. Bernhard Aschner: Lehrbuch der Konstitutionstherapie: Technik der Allgemeinbehandlungsmethoden. 9.Auflage. Hippokrates-Verlag, Stuttgart 1994, ISBN 3-7773-1123-5.

Siehe auch

  • Emetikum - Brechmittel
  • Regurgitation - Zurückfließen des Inhaltes von Hohlorganen, wie der Speiseröhre oder der Adern
  • Refluxösophagitis - entzündliche Erkrankung der Speiseröhre
  • Ruktation
  • Rumination - „Wiederkäuen“; bezeichnet eine motorische Unruhe des Magens mit willkürlich gesteuertem Hochwürgen (= Regurgitation), erneutem Durchkauen und Wiederverschlucken des Mageninhaltes. Kommt in der Pädiatrie v. a. bei vernachlässigten Säuglingen und Kindern vor.
  • Schluckauf
  • Brechdurchfall
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel Erbrechen aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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