Heidelberger Wissenschaftler entdecken neuen Mechanismus der Auflösung von Proteinaggregaten

27.05.2008

Der Arbeitsgruppe um Prof. Bernd Bukau vom Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) ist es gelungen, erstmals auf molekularer Ebene zu verstehen, wie eine Zelle stressbedingte Proteinaggregate wieder auflösen kann

Um biologische Funktionen in der Zelle erfüllen zu können, muss jedes neusynthetisierte Protein seine einzigartige dreidimensionale Struktur annehmen. Zellulärer Stress oder Mutationen stören die korrekte Strukturbildung, die sogenannte native Proteinfaltung, und können so die Ablagerung schädlicher, unlöslicher Proteinaggregate hervorrufen. Proteinaggregation ist ein zentrales Problem z.B. bei Temperaturerhöhungen, denen Zellen ausgesetzt sind, und bei der Entstehung neurodegenerativer Krankheiten, wie z.B. Parkinson, Alzheimer oder Prionenerkrankungen. Der Arbeitsgruppe um Prof. Bernd Bukau vom Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) ist es gelungen, erstmals auf molekularer Ebene zu verstehen, wie eine Zelle stressbedingte Proteinaggregate wieder auflösen kann.

Das zelluläre System der Proteinqualitätskontrolle, das aus molekularen Faltungshelfern, sogenannten Chaperonen, und Proteasen besteht, sorgt für die Reparatur bzw. den Abbau von aggregierten Proteinen. Das Labor von B. Bukau untersucht das Phänomen der Proteindisaggregation am Beispiel von ClpB, einem Chaperon aus dem Darmbakterium Escherichia coli. ClpB ist ein energieabhängiges, ringförmiges Protein mit einem zentralen, durchgängigen Kanal und besitzt die einzigartige Fähigkeit, in Kooperation mit einem weiteren Chaperonsystem Proteinaggregate vollständig aufzulösen und die einzelnen Proteine wieder in den nativen Zustand zurückzuführen. In früheren Arbeiten der Arbeitsgruppe konnte eindrucksvoll gezeigt werden, dass ClpB einzelne Proteinmoleküle aus dem Aggregat herauszieht und diese dann energieabhängig durch seinen zentralen Kanal fädelt, ein Mechanismus, der als Translokation bezeichnet wird.

Lange wurde Disaggregation an Modellproteinen untersucht, die sich unter Stressbedingungen vollständig entfalten. Viele zelluläre Proteine sind jedoch komplex aufgebaut und bestehen aus mehreren Faltungsdomänen, die bei stressbedingter Verklumpung gemischte Aggregate ausbilden, in denen fehlgefaltete und native Domänen gleichermaßen vorkommen. Das Schicksal der nativen Domänen während der Aggregatauflösung war bis dato unverstanden. In einer neuen Studie ist es den Autoren nun gelungen, den Mechanismus der ClpB-vermittelten Auflösung solch gemischter, physiologisch relevanter Aggregate aufzuklären.

ClpB reaktiviert gemischte Aggregate schnell und effizient. Dabei erkennt ClpB nur den fehlgefalteten Anteil eines Proteins und fädelt diesen in seinen zentralen Kanal ein, während die stabilen Domänen nicht angegriffen werden. Die äußerst rasche Reaktivierung eines aggregierten Proteins, dessen fehlgefaltete Domäne an beiden Enden durch eine stabile Domäne blockiert ist, zeigt zum ersten Mal, dass die Auflösung von Proteinaggregaten durch ClpB nicht von frei zugänglichen Enden der verklumpten Proteine abhängig ist, sondern an exponierten, internen Segmenten in fehlgefalteten Strukturen beginnen kann.

Die veröffentlichten Ergebnisse zeigen die Anpassung des ClpB-Chaperonsystems an seine zelluläre Aufgabe. ClpB katalysiert die für eine Zelle lebensnotwendige Auflösung und Reaktivierung aggregierter Proteine und ist spezialisiert auf die Erkennung und Entfaltung fehlgefalteter Domänen; die Translokation nativer Domänen würde dabei eine unnötige Energieverschwendung darstellen. Die Prozesse und Mechanismen, die zu Proteinaggregation und deren Umkehr führen, sind von medizinischer Relevanz, da Proteinaggregation mit vielen neurodegenerativen Krankheiten assoziiert ist. In Säugern wurde bis jetzt kein ClpB-Homolog identifiziert, jedoch gibt es zahlreiche Hinweise auf Disaggregation auch in höheren Eukaryonten. Es ist nun zu prüfen, ob die Disaggregation dieser Proteine einem Chaperon-vermittelten, ähnlich dem hier in Bakterien beschriebenen Mechanismus folgt.

Originalveröffentlichung: Nature Structural Molecular Biology 2008.

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