Synthetische DNA als Massendatenspeicher der Zukunft

Chance für ressourcenschonende, platzsparende Langzeitarchivierung von Daten

07.05.2025
© Fraunhofer IPMS

Testplatine für die MEMS-Heizelemente

Traditionelle Speicherlösungen geraten angesichts der weltweit stetig wachsenden Datenflut an ihre Grenzen. Im Projekt BIOSYNTH entwickeln drei Fraunhofer-Institute eine Mikrochip-Plattform für künftige Massendatenspeicher aus synthetischer DNA. Wie die Forschenden das hochdurchsatzfähige, modulare System zur Synthese von DNA, RNA und Peptiden zudem für biologische Anwendungen wie das Schadstoff-Screening oder die Entwicklung von Wirkstoffen nutzen wollen, erläutert Dr. Uwe Vogel, Projektkoordinator und Leiter der Abteilung Mikrodisplays und Sensoren am Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS, im Interview.

Warum ist der Bedarf an alternativen Speicherlösungen so groß?

Nach Schätzung von Markforschungsinstituten wird die weltweit generierte Datenmenge bis 2027 auf 284 Zettabyte steigen. Doch der global auf allen Speichermedien verfügbare Speicherplatz wächst langsamer als die Gesamtmenge aller Daten. Daher besteht vor allem für Daten, die langfristig gespeichert und vorgehalten werden müssen, auf die aber nur sehr selten zugegriffen wird, der Bedarf einer platzsparenden, preiswerten, ressourceneffizienten, wenig Strom verbrauchenden Archivierung in hoher Komprimierung.

Weshalb setzen Sie im Projekt BIOSYNTH auf synthetische DNA als Basis für Speichermedien?

Das Erbmolekül DNA kann auf sehr kleinem Raum sehr viele Informationen über lange Zeiträume speichern. Neben genomischen Informationen lässt sich DNA auch zum Sichern von binären Daten nutzen. Der DNA-Datenspeicher wird allerdings nicht der Natur entnommen, sondern synthetisch im Labor hergestellt – durch das Schreiben von DNA auf Mikrochips. Wir – die am Projekt BIOSYNTH beteiligten Fraunhofer-Institute – sehen in den biologischen Massendatenspeichern eine große Chance für die ressourcenschonende, platzsparende Langzeitarchivierung von Daten.

Wie kann DNA als Datenspeicher verwendet werden?

Bei der digitalen Datenspeicherung auf DNA-Basis werden binäre Daten in synthetisierte DNA-Stränge kodiert. Dies findet digital statt. Die DNA besteht aus den Grundbausteinen Guanin (G), Thymin (T), Cytosin (C) und Adenin (A) – sogenannte Nukleinbasen. Der binäre Code aus Nullen und Einsen wird also in eine Sequenz der Nukleotide A, C, G und T übersetzt und in einen künstlichen DNA-Strang umgewandelt. Allerdings können beim Synthese-/Schreibprozess Fehler entstehen. Mithilfe von On-Chip-Monitoring und eigens entwickelten Algorithmen und Codes erreichen wir, eine gewisse Anzahl Schreibfehler zu tolerieren und dennoch die zu schreibende Information fehlerfrei darin abzubilden.

Wie gelingt es Ihnen, die Speicherdichte zu erhöhen?

Da die mikrobiologische Synthese in der Vergangenheit ineffizient und ressourcenintensiv war und es an einer Hochdurchsatz-Technologie fehlte – insbesondere für lange Molekül-Segmente – entwickeln wir eine Plattform basierend auf Mikrochip-Fertigungstechniken, die eine drastische Reduzierung der individuellen Probenvolumina, der Anzahl an miniaturisierten Reaktorzellen je Chip sowie der CMOS-Chip-integrierten, für jede einzelne Reaktorzelle individuell adressierbare Ansteuerung ermöglicht.

Woraus setzt sich die Mikrochip-Plattform zusammen?

Die Mikrochip-Plattform ist eine Kombination aus CMOS-integrierter Steuerelektronik, miniaturisierten Reaktionszellen, Mikroheizern, OLED-Dots sowie Photodioden auf Mikrometer-Niveau. Sie ermöglicht eine thermische Synthese der biologischen Moleküle mit nachgeschaltetem optischem Monitoring.

Wie funktioniert die Synthese mit optischem Monitoring?

Hierfür wurden Silizium-basierte Mikrochips mit mikroskopisch kleinen Reaktionszellen bestückt. Jede Reaktionszelle fungiert quasi als Mini-Bioreaktor. Algorithmen entscheiden, welche der Reaktionszellen aktiviert werden müssen, um ein bestimmtes Molekül zu erzeugen. Steuersignale übertragen die entsprechende Information. Winzige, in den Chip integrierte Heizelemente versorgen jede Reaktionszelle thermisch, beheizen sie also und unterstützen so die Synthese mikrobiologischer Moleküle wie DNA, RNA oder Peptide. Jede Reaktionszelle ist mit organischen Leuchtdioden (OLEDs) sowie Photodetektoren ausgestattet, die diesen Prozess überwachen und das Monitoring übernehmen. Über die OLED erfolgt eine optische Anregung. Eine räumlich zugeordnete Photodiode erfasst für jeden Bioreaktor eine Antwort, ob die Reaktion erfolgreich stattgefunden hat. Implementierte Algorithmen und Kodierungen erlauben eine Fehlertoleranz des biologischen Reaktionsprozesses.

Welche Ansprüche soll die Mikrochip-Plattform erfüllen?

Wir wollen mit unserer portablen und energiearmen Plattform in Zukunft die derzeit großen, teils raumfüllenden Synthese-Systeme ersetzen. So ermöglichen wir die kommerzielle biologisch basierte Datenspeicherung. Mit unserer Mikrochip-Plattform zum Schreiben von softwaredefinierten Nukleotidsequenzen (DNA, RNA oder Peptide) wollen wir durch die Nutzung von Hochintegration sowie Serienfertigungsprozessen der Mikroelektronik zu Hochdurchsatz gelangen – immer unter der Voraussetzung, energiearm und kostengünstig zu produzieren.

Für welche weiteren Anwendungen stellt die Mikrochip-Plattform eine wichtige Komponente dar?

Die DNA als Massendatenspeicher zu nutzen, betrachten wir als langfristiges Ziel. In naher Zukunft adressieren wir Anwendungen z.B. in der Biologie, der Biochemie, der Öko- und Lebensmitteltechnologie, im Bio-Computing und in der personalisierten Medizin. Beispielsweise wollen wir die künstlich hergestellten biologischen Systeme bzw. Moleküle nutzen, um die Auswirkungen von Substanzen und Schadstoffen aus der Umwelt oder der Landwirtschaft auf den menschlichen Körper frühzeitig zu erkennen, zu testen und zu analysieren – oder auch zu beeinflussen, z.B. für eine gezielte, individuell angepasste therapeutische Wirkung.

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