Virtuelle Leberzelle optimiert Medikamentenentwicklung

Insilico Biotechnology AG aus Stuttgart mit neuer BMBF-Förderung für systembiologische Forschung

20.07.2007

Die Insilico Biotechnology AG entwirft und testet als Industriepartner im HepatoSys-Kompetenznetzwerk des Bundes seit 2005 den Stoffwechsel der Leberzelle am Computer. Als Dienstleister im Bereich Systembiologie verantwortet Insilico dabei insbesondere die Bestimmung kinetischer Parameter mit Hilfe von Höchstleistungsrechnern. Ziel ist die Modellierung einer "virtuellen Leberzelle", mit deren Hilfe physiologische Zellprozesse - wie beispielsweise der Abbau von Arzneimitteln und toxischen Substanzen - "in silico", also im Computer, nachvollzogen werden kön-nen. Für die zweite Projektphase erhält das Stuttgarter Life Science-Unternehmen in den nächsten drei Jahren 250.000 Euro Fördermittel.

"Wir haben uns für das Verbundprojekt HepatoSys beworben, weil wir den Link zur Roten Biotechnologie, sprich Medizin und Pharmazie, sowie zur Weiterentwicklung unserer Mo-dellpalette sahen", sagt Klaus Mauch, Geschäftsführer der Insilico Biotechnology AG. Bis-her interessierten sich vor allem Unternehmen aus dem Bereich der "Weißen Biotechnolo-gie", das heißt Chemieunternehmen wie Degussa und BASF, für den biotechnologischen Prozessentwickler.

Als Industriepartner im HepatoSys-Kompetenznetzwerk will Insilico Biotechnology nun die Stellung bei Modellen ausbauen, die das gesamte Erbgut von Mikroorganismen darstellen oder Zellstoffwechselprozesse detailliert simulieren. "Nachdem wir die für die Biotechnologie wichtigen Spezies Darmbakterium E. coli und Hefe bereits komplett auf dem Computer abgebildet haben, erweitern wir unser Portfolio mit der Hepatozyte, der häufigsten Zellart in der Leber, jetzt auch für die Pharmaindustrie", sagt Klaus Mauch.

Dass sich die Erforschung des Arzneimittelabbaus in der Leber bislang sehr schwierig gestaltete, macht die Hepatozyte für die Pharmaindustrie besonders interessant. Um therapeutisch optimale Medikamentendosierungen zu ermitteln, werden immer noch zeit- und kostenintensive Dosierungsfindungsstudien zur Ermittlung von Risiken und Nebenwirkungen durchgeführt. Die Zulassung einer Vielzahl neuer Medikamente zieht sich deshalb über Jahre hin - ein Aufwand, den die Insilico Biotechnology AG mit ihrer systembiologischen Grundlagenforschung im Rahmen des HepatoSys-Verbundprojekts entscheidend reduzieren will. "Mit der virtuellen Repräsentation einer Leberzelle schaffen wir die Grundlage für Simulationen, die Experimente mit realen biologischen Systemen ersetzen und bei der Medikamentenentwicklung sowohl zur Zeit- und Kostenreduktion als auch zur Verringerung der Zahl von Tierversuchen beitragen", sagt Klaus Mauch. Dass dieser Forschungsschwerpunkt ein enormes Potenzial beinhalte, bestätigt auch Dr. Klaus Eichenberg, Geschäftsführer der BioRegio STERN Management GmbH: "Damit wird der Weg für eine prädiktive, also vor Ausbruch einer Krankheit wirksame, patientenspezifische Medizin geebnet."

Im Stuttgarter Verbund des HepatoSys-Kompetenznetzwerkes hat die Insilico Biotechnology AG zudem die Leitung eines Teilprojektes zum Thema "Detoxifikation" übernommen. Zusammen mit der Berliner Humboldt-Universität, dem Dr. Margarete Fischer-Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie und der Universität Stuttgart erstellt der Prozessentwickler ein umfassendes dynamisches Stoffwechselmodell, das die Abbauvorgänge in der Leber beschreibt und dabei laufend die Ergebnisse der anderen Teilprojekte integriert. "Das ist eine Art Schaltplan, der zeigt, wie die Komponenten miteinander 'verknüpft' sind", sagt Klaus Mauch. "Wir streben die Simulation einiger hundert Reaktionen an, von deren dynamischer Darstellung wir uns Hinweise zum Medikamentenabbau in Abhängigkeit von der Dosis, zur Bildung interzellulärer Dynamiken und zu Nebenwirkungen erwarten."

Bisher wurden in Experimenten rund 100 Metabolite - Abbauprodukte und Abbauzwischenprodukte biochemischer Stoffwechselvorgänge - identifiziert, die es in das Modell einzuarbeiten gilt. Dabei entstehen riesige Datensätze, die sich nur noch mittels "Supercomputing" bewältigen und interpretieren lassen. Insilico Biotechnology greift dabei auf die eigene Modellierungs- und Simulationssoftware "Insilico Discovery" sowie die Rechenleistung des schnellsten Vektorrechners in Europa, der im Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart steht, zurück. "Damit haben wir einen Technologievorsprung, der uns in die Lage versetzt, die Vorarbeiten für Modell-Module durchzuführen, die wir der pharmazeutischen Industrie in einer späteren Phase zur Lizenzierung anbieten, vielleicht aber auch in Kooperation mit Industriepartnern selbst weiterentwickeln wollen", sagt Klaus Mauch. Interessenten haben sich bereits gemeldet. Die 250.000 Euro, die Insilico Biotechnology für die bis 2009 laufende zweite Förderphase erhält, will das Unternehmen nutzen, um den Vorsprung in der biotechnologischen Computersimulation weiter auszubauen.

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