Wenn Mäuse an Menschen-Seuchen erkranken
Evolution im Labor: Helmholtz-Forscher zeigen, wie Erreger neue Opfer finden
In der Natur verändern sich Krankheitserreger ständig. "Die meisten neuen Infektionskrankheiten, wie die Pest im Mittelalter oder die moderne Vogelgrippe, haben ihren Ursprung darin, dass Erreger, die zuvor ausschließlich Tiere befallen haben, plötzlich auf den Menschen überspringen", erklärt Dr. Wolf-Dieter Schubert, Arbeitsgruppenleiter am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. "Man spricht von einer Änderung der Wirtsspezifität. Die Übertragung des Influenza-Virus H5N1 vom Vogel auf den Menschen hat in diesem Zusammenhang in den letzen Jahren nicht nur große Ängste in der Bevölkerung hervorgerufen, sondern auch enorme wirtschaftliche Schäden verursacht." Ähnlich ist es beim HIV, Auslöser der Immunschwäche AIDS, das durch eine kleine molekulare Änderung vom Affen auf den Menschen übertragen wurde.
"Wir haben dieses Durchbrechen der Artenbarriere im Labor simuliert - jedoch in umgekehrter Richtung, und zwar vom Menschen auf das Tier", erklärt Doktorand Thomas Wollert. "Das war möglich, weil wir die dreidimensionale Struktur des InlA im Detail untersucht und verstanden haben."
Bei der Listerien-Infektion heftet sich das Bakterium zunächst mit Hilfe des InlA an die Oberfläche der menschlichen Darmschleimhaut an. Dabei erkennt InlA punktgenau sein Zielmolekül E-Cadherin auf der Oberfläche der Darm-Zellen. Ein ähnliches E-Cadherin findet sich auch im Darm der Maus - jedoch in leicht abgewandelter Form.
Die Folge: "InlA erkennt das E-Cadherin des Menschen, aber nicht das der Maus", sagt Thomas Wollert. "Tauschen wir nur zwei der 764 Aminosäure-Bausteine des InlA aus, bindet es nicht nur wesentlich fester an das menschliche E-Cadherin, sondern erkennt zusätzlich auch das E-Cadherin der Maus." Ein solcher Austausch von Bausteinen passiert in der Natur häufig spontan. "Wenn wir das Prinzip der Wirtsspezifität besser verstehen", hofft Dr. Schubert, "lassen sich vielleicht Vorhersagen treffen, in welchen Fällen die Gefahr einer plötzlichen Übertragung auf den Menschen besonders groß ist."
Originalveröffentlichung: T. Wollert, B. Pasche, M. Rochon, S. Deppenmeier, J. van den Heuvel, A. Gruber, D. Heinz, A. Lengeling, W.-D. Schubert; "Extending the host range of Listeria monocytogenes by rational protein design."; Cell 2007, Vol. 129, Issue 5, pp. 891 - 902.
Meistgelesene News
Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft
Holen Sie sich die Life-Science-Branche in Ihren Posteingang
Ab sofort nichts mehr verpassen: Unser Newsletter für Biotechnologie, Pharma und Life Sciences bringt Sie jeden Dienstag und Donnerstag auf den neuesten Stand. Aktuelle Branchen-News, Produkt-Highlights und Innovationen - kompakt und verständlich in Ihrem Posteingang. Von uns recherchiert, damit Sie es nicht tun müssen.