Erstmals Mäuse aus "künstlichen" Spermien erzeugt

Göttinger Forscher differenzieren männliche Keimzellen aus embryonalen Stammzellen und erzeugen damit lebende Mäuse: "Developmental Cell"

11.07.2006
Göttinger Wissenschaftler haben Mäuse-Nachkommen gezüchtet, indem sie aus embryonalen Stammzellen männliche Keimzellen differenziert und damit Eizellen künstlich befruchtet haben. Bisher war es Forscherteams gelungen, männliche und weibliche Keimzellen aus embryonalen und körperlichen Stammzellen in der Kulturschale zu differenzieren, lebende Nachkommen gab es jedoch nicht. "Hier liegt der Erfolg der Forschungsarbeit", stellt Prof. Dr. Wolfgang Engel, Direktor der Abteilung Humangenetik am Bereich Humanmedizin der Georg-August-Universität Göttingen, fest. Die Arbeit erscheint im Juli in der Fachzeitschrift "Developmental Cell". "Unsere Ergebnisse über die künstliche Reifung funktionsfähiger männlicher Keimzellen sind ein Meilenstein auf dem Weg zum Verständnis der Bildung männlicher Keimzellen bei Säugetieren", sagt Prof. Dr. Karim Nayernia, wissenschaftlicher Assistent in der Abt. Humangenetik und Koordinator des Forschungsprojektes. "Die Arbeit ist vorwiegend grundlagen-orientiert", sagt Prof. Dr. Wolfgang Engel und ergänzt: "Wir können jetzt biologische Aspekte der Keimzellbildung besser verstehen und genauer untersuchen, wie die epigenetische Umprogrammierung des Genoms bei der Keimzellbildung abläuft. Eine unmittelbare medizinische Anwendbarkeit etwa für die Behandlung männlicher Unfruchtbarkeit ergibt sich in Deutschland jedoch nicht." Mit Hilfe von Wachstumsfaktoren im Kulturmedium hatte Frau Dipl. Biol. Jessica Nolte die Entwicklung embryonaler Mäuse-Stammzellen in Richtung männlicher Keimzellen angeregt. "Die größte Hürde war es, die Reifeteilung zu induzieren, während der der Chromosomensatz halbiert wird", erklärt Prof. Nayernia. "Der Erfolg unserer Arbeit liegt in unserer Methode, gezielt diejenigen Zellen zu identifizieren, die erfolgreich die Reifeteilung durchlaufen haben", ergänzt Prof. Dr. Wolfgang Engel. Die erhaltenen Spermien-ähnlichen Zellen waren unbeweglich. Sie wurden deshalb mit einer feinen Kanüle in befruchtungsfähige Mäuse-Eizellen eingebracht. Diese knifflige Arbeit übernahm Prof. Dr. Hans Wilhelm Michelmann, Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe (Direktor: Prof. Dr. Günter Emons) am Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen. Insgesamt 65 Embryonen im Zwei-Zell-Stadium brachten die Forscher anschließend in Mäuse-Weibchen ein, zwölf Mäuse wurden geboren. Sieben dieser Mäuse stammen aus Eizellen, die mit Spermien befruchtet worden waren, welche von embryonalen Stammzellen abstammten. Diese Tiere waren entweder kleiner oder größer als ihre Artgenossen. Die Tiere wurden zwischen fünf Tage und fünf Monate alt. "Wir haben Hinweise darauf, dass die Größenunterschiede der Tiere und ihr früher Tod auf eine unvollständige 'Umprogrammierung' des Genoms während der Keimzellbildung zurückzuführen sind",sagt Prof. Dr. Karim Nayernia: "Es ist uns also nicht gelungen, alle komplizierten Entwicklungsschritte bei der Spermienbildung vollständig in der Kulturschale nachzuvollziehen." "Wir möchten jetzt unsere Ergebnisse an Weißbüschelaffen wiederholen, um zu erfahren, ob die Methode auch bei Primaten funktioniert", sagt Prof. Dr. Engel. Weiter sei interessant die Bedingungen herauszufinden, unter denen sich die verschiedenen Stammzell-Typen in der Kulturschale in verschiedene Gewebetypen lenken lassen.

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