Nach Vioxx-Rückzug - Zulassungsverfahren sollte verbessert werden

12.10.2004

Berlin/Köln (dpa) - Angesichts der weltweiten Marktrücknahme des Rheuma- und Schmerzmittels Vioxx fordern Mediziner ein besseres Zulassungsverfahren für Medikamente und mehr Informationen für Ärzte. «Bislang muss nur die Wirksamkeit nachgewiesen werden, aber nicht, dass es langfristig einem anderen Medikament überlegen ist», sagte der Geschäftsführer der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Prof. Heiner Berthold, in Berlin am Montag in einem dpa-Gespräch. «Vor der Zulassung gibt es zu wenig Vergleiche mit bereits existierenden Therapien, diese werden nach dem gültigen Recht aber auch gar nicht gefordert.»

Zum Zeitpunkt der Zulassung 1999 war das Risiko der Nebenwirkungen von Vioxx laut Berhold noch nicht bekannt. «Rheuma- und Schmerzmittel werden vor der Zulassung nur über einen Zeitraum von Wochen oder Monaten hinweg geprüft», erläuterte Berthold. Bei Vioxx hatten sich Nebenwirkungen wie Herzinfarkt und Schlaganfälle nach Herstellerangaben aber erst nach einer Einnahmezeit von 1,5 Jahren im Vergleich zur Kontrollgruppe verdoppelt. Das Unternehmen hatte bereits bei der Marktrücknahme am 30. September darauf verwiesen, dass die Zahl der Todesfälle durch diese Leiden im Vergleich zu einem Scheinmedikament (Placebo) nicht erhöht gewesen sei.

Seit 1999 haben nach Herstellerangaben etwa 1,5 Millionen Menschen in Deutschland Vioxx eingenommen, viele aber nur wenige Tage. Zum Zeitpunkt der Marktrücknahme hätten schätzungsweise 120 000 Menschen das Mittel erhalten, sagte ein Sprecher der Unternehmensgruppe MSD, die zum US-Pharmakonzern Merck & Co. gehört.

Im Fall von Vioxx hat das Unternehmen nach Ansicht von Berthold zu spät auf die Hinweise über die Herzkreislauf-Erkrankungen reagiert. «Dass Vioxx ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte, Schlagfanfälle und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat, ist nicht neu», betonte Berthold. «Die Arzneimittelkommission hat entsprechende Studien gefordert, die wurden aber nicht gemacht.»

Der Leiter des Kölner Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit, Peter Sawicki, forderte bessere Informationen für Ärzte: «Es muss ein Zwang für die Pharmakonzerne geben, richtig zu informieren - vollständig und korrekt.» Er kritisierte, dass Pharmareferenten derzeit eine zentrale Rolle in den einzelnen Arztpraxen spielten. Auch sollte sich die Pharmaindustrie künftig aus der Fortbildung für Ärzte zurückziehen, forderte Sawicki. «Das ist Aufgabe der Ärztekammern.» Zudem müssten Daten aus den verschiedenen Studien über einzelne Präparate der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Mittel vom Markt genommen. Nicht alle Risiken ließen sich vor der Zulassung ausschließen, sagte Berthold. «Die Giftigkeit für die Leber war einer der häufigsten Gründe für den Rückzug.» Wenn schweres Leberversagen beispielsweise bei einem von 10 000 Patienten auftrete, könnten das für die Zulassung nötige klinische Studien häufig nicht anzeigen. «Die meisten Arzneimittel, die auf den Markt kommen, wurden an 1 000 bis 3 000 Patienten geprüft.» Die Zahl der Probanden ließe sich jedoch nicht beliebig erhöhen. Bei einigen Präparaten seien die Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln unterschätzt worden.

Arzneimittel werden nach Angaben von Berthold derzeit nicht einfacher zugelassen als früher. «Es kommen nach wie vor pro Jahr 10 bis 15 neue Wirkstoffe auf den Markt.»

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