Proteine ersetzen Silizium: Ein halb-künstliches Blatt ist schneller als die Photosynthese
Bochumer Chemiker und Biologen haben gemeinsam eine neue Methode entwickelt, Membranproteinkomplexe der Photosynthese effizient in semiartifizielle Solarzellen zu integrieren. Der damit erzielte Elektronentransfer übertraf zum ersten Mal deutlich die in der natürlichen Photosynthese beobachteten Raten. Diese Entdeckung eröffnet ganz neue Möglichkeiten für die Konstruktion halb-künstlicher Blätter, die als Photovoltaikanlagen mit ungeahnter Leistung funktionieren könnten. Die Forscher um Dr. Nicolas Plumeré, Prof. Dr. Wolfgang Schuhmann und Prof. Dr. Matthias Rögner berichten im Journal Chemistry – a European Journal. Ihre Studie wurde vom Journal zum „Very Important Paper“ gewählt – eine Ehre, die nur fünf Prozent der eingereichten Beiträge zuteil wird.

Während natürliche Blätter Lichtenergie in Biomasse umwandeln, wandeln Solarzellen sie in elektrischen Strom um.
© Nicolas Plumeré
Photosystem 1, ein widerstandsfähiger und effizienter Photosynthesekomplex
In natürlichen Blättern absorbiert der Membranproteinkomplex Photosystem 1 (PS1) das Sonnenlicht. Dessen Energie dient dann dazu, Kohlendioxid in Biomasse zu verwandeln. Auch Solarzellen, die meistens aus Halbleitern auf Siliziumbasis bestehen, sammeln das Licht, allerdings um daraus Elektrizität zu gewinnen. Ein Ansatz, um Solarzellen günstiger und aus erneuerbaren Materialien herzustellen, besteht darin, die Halbleiter durch Membranproteinkomplexe der Photosynthese zu ersetzen. Die Arbeitsgruppe von Prof. Rögner isoliert sehr stabile Photosynthesekomplexe aus thermophilen Cyanobakterien, die in einer heißen Quelle in Japan leben. Der Einbau dieser natürlichen Komponenten in ein künstliches System war jedoch eine große Herausforderung: Die Photosynthesekomplexe bestehen sowohl aus hydrophoben als auch aus hydrophilen Bereichen, welche ihre Handhabung und Fixierung auf Elektroden deutlich erschweren.
Umgebung reagiert auf äußere Reize
Die Teams von Dr. Nicolas Plumeré and Prof. Dr. Wolfgang Schuhmann entwickeln komplexe leitfähige Materialien, die auf äußere Reize reagieren. In diese so genannten Redox-Hydrogele betten die Forscher den Photosynthesekomplex PS1 ein. Durch die Wahl eines geeigneten Hydrogels konnten sie die Umgebung der natürlichen Proteine genau einstellen. Insbesondere lassen sich durch die Anpassung des pH-Werts die hydrophoben beziehungsweise hydrophilen Eigenschaften des Hydrogels kontrollieren und an die Bedürfnisse des Photosynthesekomplexes anpassen. „Diese eigens angefertigte Umgebung bietet dem Proteinkomplex optimale Bedingungen – sogar besser als in natürlichen Blättern“, erklärt Dr. Nicolas Plumeré. Die Forscher ermittelten die höchsten jemals für halb-künstliche Photoelektroden gemessenen Elektronentransferraten, die sogar die der natürlichen Photosynthese um eine Größenordnung übertrafen.
Effizientere und billigere Solarzellen
„Diese Verbesserung erhöht die Effizienz unseres anfänglichen biophotovoltaischen Konzepts vom Nanowatt- in den Mikrowatt-Bereich”, erläutert Nicolas Plumeré. Zwar werden silikonbasierte Solarzellen diejenigen mit biologischen Komponenten zunächst weiterhin übertreffen, was ihre Stabilität und Effizienz betrifft. Aber in verschiedenen Anwendungen sind letztere dennoch überlegen. Besonders als Energielieferanten für winzige medizintechnische Werkzeuge wie Sensoren in Kontaktlinsen bieten sie sich an. In fernerer Zukunft könnte das Biophotosystem Ausgangspunkt für die Entwicklung billiger und flexibler Solarzellen für die Anwendung auf unebenen Oberflächen sein.
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