Warum Organe spenden?

„Unethische Fehlanreize im System müssten verboten werden“

03.06.2013 - Deutschland

Im Jahr 2012 sank die Organspendebereitschaft in Deutschland auf den niedrigsten Stand seit 2002. Verschiedene Skandale in der Transplantationsmedizin haben das Vertrauen der Menschen erschüttert. „Vertrauen, Akzeptanz und Fairness sind genauso wichtig wie Hightech und medizinisches Know-how“, sagt Prof. Dr. Dr. Jochen Vollmann, Medizinethiker der Ruhr-Universität Bochum. Warum sollte ein Bürger, Organe – Teile seines Lebens – an Unbekannte spenden, ohne daraus einen Vorteil zu ziehen? Oft bedeute das für ihn selbst zusätzliche Belastung durch längere Intensivbehandlung sowie psychische Belastung für seine Angehörigen und das Behandlungsteam. „Sehr viel verlangt, finden sie nicht?“ spitzt Vollmann zu. In RUBIN, dem Wissenschaftsmagazin der RUB, bezieht er Stellung.

Die Wurzel des Skandals

Die verfügbaren Spenderorgane werden nach einem Algorithmus von Eurotransplant im holländischen Leiden verteilt – ein Prinzip, das Vollman als transparent, dynamisch und vertrauenswürdig bezeichnet. Problematisch werde es aber, wenn Ärzte durch Datenfälschung die gültigen Regeln missachteten. Eine Wurzel des Skandals sieht er im System: „Es ist absolut üblich, Ärzten finanzielle Anreize für Leistungen anzubieten, zum Beispiel bestimmte Bonuszahlungen mit einem leitenden Arzt zu vereinbaren, wenn er zehn Prozent mehr Hüft-Operationen in einem gewissen Zeitraum durchführt. In der Transplantationsmedizin sind solche Boni aber unsinnig, denn die begrenzte Ressource sind die Spenderorgane, die durch diese finanziellen Anreize gar nicht vermehrt werden können. Daher handelt es sich um Fehlanreize, die unethisch sind – sie müssten verboten werden. Diese Missstände zerstören letztlich das gesamte System. Die Frage ist nur, wie lange sich die Gesellschaft das noch bieten lässt.“ In einem Punkt ist sich der Mediziner und Philosoph sicher: „Es werden Jahre vergehen, um das schnell verspielte Vertrauen in die Transplantationsmedizin zurückzugewinnen.“

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