Max-Planck-Wissenschaftler für Alternativmethode zu Tierversuchen ausgezeichnet

14.12.2012 - Deutschland

Ralf Herwig, Projektgruppenleiter am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin, hat den 31. Forschungspreis zur Förderung methodischer Arbeiten mit dem Ziel der Einschränkung und des Ersatzes von Tierversuchen erhalten. Die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz verliehene Auszeichnung ist mit 15.000 Euro dotiert. Sie wurde am 13. Dezember 2012 durch Frau Bundesministerin Ilse Aigner überreicht.

Gemäß der REACH-Verordnung der Europäischen Union für die Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien müssen alle chemischen Stoffe, die europaweit in Mengen von mehr als 1000 Kilogramm pro Jahr verkauft werden, zuvor auf ihr Gefährdungspotential für Menschen untersucht werden. Nach offiziellen Angaben der EU betrifft das knapp 30.000 Chemikalien. Im Rahmen der Begutachtung wird unter anderem geprüft, ob chemische Substanzen, die beispielsweise in Nahrungsmitteln oder Werkstoffen verwendet werden, Krebs verursachen können. Die Prüfung erfolgt bislang durch einen zwei Jahre dauernden Belastungstext an lebenden Ratten oder Mäusen. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Firma Cellartis aus Göteburg haben Herwig und seine Mitarbeiter aus der Abteilung Analyse des Vertebratengenoms (Hans Lehrach) eine Methode entwickelt, bei der kommerziell erhältliche, Leberzell-ähnliche, ausdifferenzierte menschliche humane Stammzellen eingesetzt werden. Anstelle von Versuchstieren wurden die Zellen mit den zu testenden chemischen Substanzen aus drei verschiedenen Toxizitätsklassen (genotoxische Karzinogene, nicht-genotoxische Karzinogene, nicht karzinogene Substanzen) konfrontiert. Anschließend untersuchten die Forscher, welche Auswirkungen die verschiedenen Chemikalien auf die Aktivität der Gene (Genexpression) der Testzellen hatten. Durch einen neuartigen Ansatz bei der Auswertung der gemessenen Genaktivitätsveränderungen gelang es ihnen, die untersuchten Toxizitätsklassen vollständig voneinander abzugrenzen und daher insbesondere Stoffe, die das Erbgut nicht direkt verändern (nicht-genotoxische Karzinogene) wesentlich besser vorherzusagen, als es bisher der Fall war.

Für die Überprüfung der Toxizität von Stoffen in Zellkultursystemen wurden bislang die Expressionsmuster verschiedener Gene miteinander verglichen und auf statistischem Weg ein sogenannter Klassifikator für jede Toxizitätsklasse entwickelt. Die Vielfalt der molekularbiologischen Informationsübermittlung wird jedoch bei diesem Ansatz nicht berücksichtigt. Unter anderem werden zum Beispiel bekannte Interaktionen zwischen den Genen ignoriert. Zahlreiche Substanzen können aber über verschiedene zelluläre Mechanismen Krebs erzeugen, ohne das Erbgut direkt zu schädigen (nicht-genotoxische Karzinogene). Mit den bisher verwendeten Methoden konnten sie daher nur schlecht erfasst werden.

„Über den von uns entwickelten Ansatz ist es möglich, Transkriptominformationen, also die uns vorliegenden Informationen über die RNA-Moleküle, die als Reaktion auf die zu testende Substanz von der Zelle gebildet wurden, den bekannten biochemischen Signalwegen zuzuordnen“, beschreibt Herwig die neue Methode. „Mit solch einem mechanistischen Ansatz können wir auch die zellulären Reaktionen, die nicht direkt Folge der Veränderung des Erbgutes sind, mit in die Auswertung einbeziehen.“

Die neue Methode erlaubt es den Wissenschaftlern, die Wirkung der untersuchten Substanzen wesentlich besser vorherzusagen als bisher. Die Forscher hoffen, dadurch die Testung von krebserregenden Substanzen in Zellkultursystemen so weit verbessern zu können, dass mittelfristig auf die Durchführung von Tierversuchen in diesem Bereich verzichtet werden kann.

Die Entwicklung der neuartigen Methode zur Testung karzinogener Substanzen erfolgte im Rahmen des EU FP6 Verbundprojektes carcinoGENOMICS und wurde mit Mitteln der Europäischen Union gefördert.

Originalveröffentlichung

Yildirimman, R., Brolén, G., Vilardell, M., Eriksson, G., Synnergren, J., Gmuender, et al,; "Human embryonic stem cell derived hepatocyte-like cells as a tool for in vitro hazard assessment of chemical carcinogenicity."; Toxicological Sciences, 124(2):278-290.

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