Bakterien steuern Naturstoff-Synthese in Pilzen

Jenaer Forscher entschlüsseln Kommunikationswege bei Mikroorganismen

01.09.2011 - Deutschland

Einem Jenaer Forscherteam um Axel Brakhage und Christian Hertweck ist es gelungen, einen neuartigen Steuerungsmechanismus für die Synthese von Naturstoffen zu finden. Die Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – und der Friedrich-Schiller-Universität Jena konnten in Zusammenarbeit mit der Gruppe von Joseph Strauss von der Universität für Bodenkultur Wien zeigen, dass bestimmte Bakterien in der Lage sind, Veränderungen an den sogenannten Histonproteinen im Schimmelpilz Aspergillus nidulans auszulösen. Solche Modifikationen von Histonen steuern die Genexpression. Sie führten dazu, dass der Pilz mehrere neue Substanzen bildete. Die Arbeit entstand im Rahmen des einzigen Exzellenzprojektes in Thüringen, der Jena School for Microbial Communication, und wurde im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA veröffentlicht.

Mikroorganismen sind eine wichtige Quelle für Arzneistoffe, insbesondere für die meisten heute verwendeten Antibiotika. Um ihr großes Potenzial zu erschließen, bedient man sich heutzutage bei der unablässigen Suche nach neuen Wirkstoffen der Genomanalyse. Ein Blick auf die gesamte genetische Information – das Genom – eines Bakteriums oder Pilzes offenbart dabei häufig sogenannte schlafende Gene, die normalerweise nicht aktiv sind. Das Jenaer Team aus Mikrobiologen und Naturstoff-Forschern konnte bereits zeigen, dass die gemeinsame Kultivierung eines Bodenbakteriums mit dem Pilz Aspergillus nidulans zu Kommunikationsprozessen führt, in deren Folge solche schlafenden Gene aktiviert werden. Dies führte zur Synthese mehrerer bei diesem Pilz unbekannter Naturstoffe, die möglicherweise als Wirkstoffe genutzt werden können. Unklar blieb jedoch, wie das Bakterium diesen Mechanismus in Gang setzt.

Hans-Wilhelm Nützmann, Stipendiat in der Jena School for Microbial Communication, befasst sich im Rahmen seiner Doktorarbeit mit der Kommunikation von Pilzen mit Bakterien. Ihn interessiert, auf welche Weise der Signalaustausch zwischen diesen Mikroorganismen zur Synthese neuer Naturstoffe führen kann. Die aktuellen Untersuchungen führten Nützmann und seine Kollegen auf die Spur der Histonproteine. Hierbei handelt es sich um Eiweißmoleküle im Zellkern, auf die die DNA ähnlich einer Spule aufgewickelt ist. Die auf der DNA befindlichen Gene werden erst dann aktiv, wenn die dort befindlichen Histone Acetylgruppen tragen. Die Acetylgruppen markieren wie ein kleines Signalfähnchen diejenigen Abschnitte der genetischen Information, die in einer Zelle momentan aktiv sind. Für diese kleine chemische Modifikation der Histone sind bestimmte Enzyme zuständig, die als Acetyltransferasen bezeichnet werden. Die Wissenschaftler schalteten im Experiment sämtliche Acetyltransferasen nacheinander aus und beobachteten, ob der Kontakt zwischen Pilz und Bakterium weiterhin zur Bildung der neuen Stoffe führte. Bei einer bestimmten Acetyltransferase, sie trägt die Bezeichnung GcnE, war dies nicht mehr der Fall – für die Forscher der Beweis, dass genau dieses Enzym im „Normalfall“ die schlafenden Gene zu aktivieren vermag.

In weiterführenden biochemischen Experimenten konnte das Forscherteam diesen neu entdeckten Mechanismus der Aktivierung von Naturstoff-Genen weiter aufklären. So ist das Enzym GcnE tatsächlich genau an den Genen zu finden, die für die Synthese der neuen Naturstoffe im Pilz zuständig sind. Und dies nur dann, wenn sich Aspergillus nidulans in engem Kontakt mit dem Bodenbakterium befindet. An anderen Genen, deren Aktivität unabhängig von der Wechselwirkung beider Mikroorganismen ist, findet man es dagegen nicht. Die Forscher konnten sogar zeigen, an welcher Stelle am Histoneiweiß die Acetylierung erfolgt.

Die Veröffentlichung der Ergebnisse in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA zeigt bereits, welch hohen Stellenwert die Arbeit für die Fachwelt besitzt. Sie ist für Wissenschaftler und auch die forschende Pharmaindustrie von großem Interesse, weist sie doch einen Weg zur Auffindung neuer Wirkstoffe in zum Teil schon lange bekannten Mikroorganismen. Für Axel Brakhage eine Bestätigung, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben: „Wir setzen in unserer Exzellenz-Graduiertenschule gezielt auf Kommunikationsprozesse bei Mikroorganismen. Uns ist bewusst, dass an der Auseinandersetzung unterschiedlicher Organismen in der Natur viele Substanzen beteiligt sind, die auch für den Menschen nützlich sein können. Diese Schatzkiste gilt es nun zu öffnen – den Schlüssel dazu halten wir in der Hand.“

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