Molekularer Güterzug: Künstliches Nano-Transportsystem nach dem Vorbild der Natur

22.12.2009 - Japan

Nicht nur auf unseren Straßen, auch in den Zellen unseres Körpers herrscht reger Verkehr. Denn auch Zellbestandteile, Botenstoffe oder Enzyme müssen innerhalb einer Zelle an die richtigen Stellen gebracht werden. Eines dieser Transportsysteme funktioniert wie eine Art Schienenverkehr: Über ein molekulares Gleissystem werden Vesikel mit Inhaltsstoffen zu ihren Zielorten transportiert. In Anlehnung an diesen natürlichen „Güterverkehr“ haben japanische Forscher ein künstliches molekulares Transportsystem entworfen. Wie die Wissenschaftler um Youichi Tsuchiya und Seiji Shinkai in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, könnte auf dieser Basis eine Methode zur Einschleusung therapeutischer Gene in den Zellkern entwickelt werden.

Der zelluläre Schienenverkehr läuft über Actinfilamente als Schienen. Actinfilamente sind feste Proteinfasern, die die Zellen netzförmig durchziehen. Als „Motorproteine“ und gleichzeitig „Räder“ sind Myosinmoleküle auf den Actinschienen unterwegs. Am „Schwanzende“ des Myosins hängt das zu transportierende Vesikel. Das Myosin-„Köpfchen“ besteht aus einer ATPase, einem Enzym, das ATP spaltet. ATP ist der zelluläre „Brennstoff“, bei seiner Spaltung wird Energie freigesetzt. Während der ATP-Spaltung ändert sich der Winkel des an ein Actinfilament gebundenen Köpfchens, auf diese Weise bewegt sich das Myosin am Filament entlang wie ein Rad auf einer Schiene - und nimmt seine Fracht dabei mit.

Actin, Myosin und ATP übernahmen die Forscher als Bestandteile für ihr Transportsystem. Als „Container“ wählten sie Schizophyllan, ein dreifach-helikales Polysaccharid (Mehrfachzucker) aus einem Pilz. In bestimmten Lösungsmitteln wickelt sich die Helix auf. Zurück in Wasser windet sich das Polysaccharid wieder helikal, dabei kann es große Moleküle oder Nanopartikel regelrecht einwickeln und sie so „verpacken“. Für ihre Studien luden die Wissenschaftler Kohlenstoffnanoröhrchen in diese molekularen Container. Über Cobalt-Ionen dockten sie mehrere Myosineinheiten an. Und in der Tat bewegten diese „Räder“ den winzigen „Güterzug“ an einer Actinschiene entlang. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 95 nm/s legten die „Waggons“ eine erstaunlich lange Strecke von etwa 5 µm zurück.

Der Transport entlang zellulärer Actinschienen verläuft immer nur in eine Richtung. Die Filamente sind über Schnittstellen miteinander verbunden, wodurch ein Transportnetz in der Zelle entsteht, das auch einen Richtungswechsel erlaubt. Auch die künstlichen molekularen Güterzüge können in einem solchen Schienennetz die Filamente an den Verknüpfungspunkten wechseln. Da die Transportrichtung der Actinschienen in Zellen in Richtung Zellkern geht, könnte das künstliche Transportsystem für die Gentherapie interessant sein, um therapeutische Gene zu verpacken und zum Zellkern zu transportieren.

Originalveröffentlichung: Seiji Shinkai et al.; "A Polysaccharide-Based Container Transportation System Powered by Molecular Motors"; Angewandte Chemie

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