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Kreuzband



 

Die Kreuzbänder (lat.: Ligamenta cruciata genus) im Zentrum des Kniegelenks der Säugetiere sind zwei, in sich verwrungene und im rechten Winkel überkreuzende Bänder, die von der Mitte des Schienbeines (Tibia) zu den Rollhügeln des Oberschenkelknochens (Femur) verlaufen.

Inhaltsverzeichnis

vorderes Kreuzband

Eröffnet man ein Kniegelenk von vorne, so sieht man, dass die Kreuzbänder zentral im Gelenk untergebracht sind. Man erkennt sofort das vordere Kreuzband (Ligamentum cruciatum anterius, VKB oder LCA), welches im vorderen Areal (Area intercondylaris anterior) zwischen den Rollhügeln (Condylus lateralis tibia=seitlicher bzw. medialis tibiae=zur Mitte zeigender) des Schienbeinkopfes (Caput tibiae) fixiert ist. Das Band zieht von vorne-unten-innen (anterio-caudal-medial) nach hinten-oben-außen (dorso-cranial-lateral) zu der zur Mitte zeigenden Fläche des seitlichen Rollhügels des Oberschenkelknochens und in die Grube zwischen den Rollhügeln (Fossa intercondylaris). Es inseriert dort im hinteren Bereich der Rollhügel an der Knorpel-Knochen-Grenze. Dieser Verlauf wird umgangssprachlich auch als „hosentaschenförmig“ bezeichnet. Das VKB liegt am Scheinbein ganz vorne, am Oberschenkelknochen ganz außen.

Es können drei Bandpartien unterschieden werden:

  • Ein vorne-mittiges (anterio-mediales) Bündel. Dieses weist die längsten Fasern auf. Bei Einblick in das Kniegelenk von vorne wird es als Erstes sichtbar. Es ist am ehesten Verletzungen ausgesetzt.
  • Ein hinten-seitliches (posterio-laterales) Bündel. Dieses wird vom vorne-mittleren Bündel überdeckt; bei partiellen Bandrissen bleibt es meist intakt.
  • Ein dazwischenliegendes (intermediäres) Bündel.

Insgesamt ist das Band in sich gedehnt. Die Fasern haben eine unterschiedliche Länge. Sie sind zwischen 1.85 bis 3.35 cm  lang. Einige Züge ziehen zum Innenmeniskus.

Das VKB begrenzt die Streckung (Extension) des Kniegelenks. In Streckrichtung sind dabei das hintere-seitliche und dazwischenliegende Bündel am meisten gespannt, während in Beugerichtung (Flexion) das vorne-mittige Bündel mehr gespannt ist.

hinteres Kreuzband

Hinter dem VKB erscheint das hintere Kreuzband (Ligamentum cruciatum posterius, HKB oder LCP). Es kreuzt das VKB in einem Winkel von ca. 90°. Es ist kräftiger und stellt insgesamt die kräftigste Bänder (ligamentäre) -Struktur des Kniegelenks dar. Es ist im hinteren (dorsalen) Bereich des Areals zwischen den Rollhügeln des Oberschenkelknochens (Area intercondylaris posterior) am Schienbeinkopfes fixiert (ca. 10 mm  unterhalb des Niveaus der Gelenkfläche). Es reicht mit seiner Befestigung sogar über den hinteren Rand des Schienbeinplateaus herüber. Der Fixpunkt des Schienbeins liegt somit weit hinter den Hinterhörnern des Innen- und Außenmeniskus. Das Band zieht von hinten-unten-außen (dorso-caudal-lateral) nach vorne-oben-innen (anterio-cranial-medial) in die ganze Tiefe der Grube zwischen den Rollhügeln des Oberschenkelknochens. Es inseriert dort am seitlichen Bereich des seitlichen Rollhügels weit nach vorne bis an die Knorpel-Knochen-Grenze. Das HKB findet sich am Schienbein ganz hinten, am Oberschenkelknochen dagegen zur Mitte zeigend.

Es können zwei Bandpartien unterschieden werden:

  • Ein hinteres-seitliches (posterio-laterales) Bündel, welches am Schienbein hinten und am Oberschenkelknochen außen inseriert.
  • Ein vorderes-mittiges (anterio-mediales) Bündel, welches am Schienbein vorne und am Oberschenkelknochen zur Mitte zeigend inseriert.

Züge des HKB strahlen in das Hinterhorn des Außenmeniskus (Ligamentum meniscofemorale posteris) ein.

Das HKB verhindert eine gerade hintere Verschiebung (Translation) des Schienbeinkopfes.

Orientierung der Kreuzbänder

 

Bei perspektivischer Betrachtung überkreuzen sich die Kreuzbänder tatsächlich. Auch in der Sagittalebene sind sie gekreuzt, das VKB läuft schräg nach oben und hinten, während das HKB schräg nach oben und vorne ausgerichtet ist (das VKB läuft seitlich am HKB vorbei). Auch in der Frontalebene ist ihr Verlauf gekreuzt: Ihre Befestigungen an dem Schienbein liegen auf einer sagittalen Achse, während die Fixpunkte am Oberschenkelknochen um ca. 1.7 cm  auseinander liegen. Das HKB läuft folglich schräg nach oben-mittig (cranial-medial), das VKB schräg nach oben-seitlich (cranial-lateral). In der Transversalebene hingegen liegen sie parallel zueinander, ihre axialen Seiten berühren sich. Die Kreuzbänder überkreuzen nicht nur sich selbst, sondern auch das jeweilige gegenüberliegende ipsilaterale Seitenband (Kollateralband). So überkreuzt das VKB das Seitenband des Wadenbeines und das HKB das des Schienbeines. Bei Betrachtung der vier Bänder von der Mitte zur Seite oder umgekehrt stellt man fest, dass sie alternierend schräg zueinander orientiert sind. Die Seiten- und Kreuzbänder schneiden sich in jeder Stellung des Gelenkes in einem Punkt; der Schnittpunkt entspricht jeweils dem momentanen Drehzentrum.

Die beiden Kreuzbänder haben einen unterschiedlich geneigten Verlauf. Bei gestrecktem Knie ist das VKB mehr vertikal, das HKB mehr horizontal orientiert, was mit der Ausrichtung der Insertionsfelder übereinstimmt. Das Feld des HKB liegt horizontal, das des VKB steht vertikal.

Wird das Knie gebeugt, so stellt sich das in Streckstellung horizontal liegende HKB vertikal auf. Es beschreibt in Relation zum Schienbein einen Kreisbogen von mehr als 60°, während sich die Stellung des VKBs nur wenig verändert.

Das Längenverhältnis zwischen den Kreuzbändern ist individuell unterschiedlich. Die Distanz zwischen den Fixpunkten des Schienbeines und Oberschenkelknochens ist für jedes Knie charakteristisch, da diese u. a. das Profil der Rollhügel bestimmen.

Funktion

Die Kreuzbänder halten gemeinsam mit den Seitenbändern das Kniegelenk zusammen. Sie begrenzen die Streckung des Schienbeines, führen das Gelenk während der Bewegung und verleihen ihm somit die nötige Stabilität. Die seitliche Stabilität der beiden Seitenbänder verhindert ein O-Bein (genu varum) bzw. ein X-Bein (genu valgum). Somit stellen sie die zentrale Komponente im propriozeptiven Regelkreis des Kniegelenkes dar.

Die Kreuzbänder bilden die zentralen passiven Führungselemente des Kniegelenks. Bedingt durch ihre Lage zueinander und ihre Art der Fixation an Oberschenkelknochen und Schienbein bilden sie eine Viergelenkkette und zwingen so den Oberschenkelknochenkopf bei der Beugung in einen Roll-Gleit-Mechanismus (Athrokinematik bzw. Osteokinematik), welcher es - neben anderen Mechanismen - erlaubt, einen großen Gelenkkopf auf einer viel kleineren Gelenkpfanne physiologisch zu bewegen. Bei einer Schädigung des VKBs wird diese empfindlich gestört und führt zu Knorpel- und Meniskusschäden. Die Kreuzbänder sorgen neben dem Anpressdruck der beiden Gelenkpartner u. a. für eine verschiebliche Stabilisierung nach vorne und hinten. Sie liegen so, dass in fast allen Stellungen des Kniegelenkes Teile von ihnen gespannt sind; sie verhindern vor allem in der gefährdeten labilen Beugestellung, in der die Seitenbänder erschlaffen, eine vordere und hintere Verschiebung der miteinander in Verbindung stehenden (artikulierenden) Flächen. (Die Seitenbänder werden durch die Spiralform der Rollhügel des Oberschenkelknochens in Streckung gestrafft, weil die Distanz zwischen Ursprung und Ansatz länger wird. In Beugung sind sie locker, analog zur stabilen bzw. instabilen Gelenkflächenform in Streckung und Beugung. Wären die Rollhügel des Oberschenkelknochens rund, so wäre der Radius in jedem Beugungswinkel gleich lang und die Bänder würden mit konstanter Spannung ziehen. So ist das gestreckte Knie stabil, gebeugt ist es mobil und entlastet). Das VKB verhindert ein nach-vorne-Gleiten des Schienbeines, das HKB die Gegenrichtung. Zudem schränken sie durch die Stabilität und Verlaufsrichtung ihrer kräftigen Fasern die Drehbewegung (Rotationsbewegung) des Unterschenkels, insbesondere die Drehbewegung nach innen ein.

Dreidimensionale Bewegungsführung

Dreht der Oberschenkelknochen nach außen und der Unterschenkel nach innen (also eine Drehbewegung des Schienbeines nach innen), werden die Kreuzbänder gespannt. Sie schlingen sich verstärkt umeinander und ziehen sich so an, während sie sich bei der Drehbewegung nach außen wieder abrollen und lockern.

Die Drehachse muss durch den Innenmeniskus laufen, weil dieser mit dem inneren Seitenband verwachsen ist und somit nicht gleiten kann. Gespannte Bänder sind die Voraussetzung für eine gute Gelenkstabilisierung. Durch den alternierenden Wechsel von Beugung und Streckung, von Ver- und Entschraubung werden die Bänder abwechselnd unter Zug gesetzt und wieder entlastet. Zug und Entlastung optimieren die strukturelle Organisation innerhalb der Bänder und fördern den Stoffwechsel. Kräfte, die auf gespannte Bänder einwirken, sind geringer als solche, die auf lockere Bänder stoßen. (Beispiel: Beim Fußballspielen bekommt das Kniegelenk einen Schlag von der Seite. Die einwirkende Kraft wird vor allem auf die Bänder übertragen. Sind diese straff, nehmen sie die Kraft auf und leiten sie weiter. Sind sie aber locker, bewirkt die Kraft des Schlags erst einmal ein ruckartiges Spannen der Bänder: Kraft = Masse mal Beschleunigung - zweites Newton'sches Gesetz, Gesetz der Beschleunigung -, so lautet die physikalische Formel. Die Kraft, die an dem Band zieht, ist stärker.)

Kreuzbandriss

Kreuzbandrisse entstehen meist aufgrund indirekter Gewalteinwirkung. Von einem Riss (Ruptur) des Kreuzbandes spricht man bei einem teilweisen oder vollständigen Riss eines oder beider Kreuzbänder. Im Extremfall handelt es sich um einen vollständigen Ab- oder Ausriss, bei dem auch Teile des Knochens betroffen sein können. Der knöcherne Ab- oder Ausriss ist wesentlich seltener als der reine Bandriss ohne knöcherne Beteiligung (intraligamentäre Ruptur).

Es können zwei Arten von Bandrissen unterschieden werden:

  • VKB- oder HKB-Riss mit seitlicher Instabilität und positivem Schubladenphänomen.
  • Kombinationsverletzung mit Schubladenphänomen in Drehstellung des Fußes nach innen oder außen.
    • v. a. zur Mitte zeigender Seitenbandriss, VKB-Riss und Innenmeniskusriss (so genannter Unhappy Triad) bei vorne-mittiger Drehbewegungsinstabilität.
    • seitlicher Seitenbandriss, Außenmeniskusriss und VKB-Riss bei vorne-seitlicher Drehbewegungsinstabilität.
    • selten, Riss der seitlichen Bandstrukturen und des HKB bei hinterer-mittiger bzw.  hinterer-seitlicher Drehbewegungsinstabilität.

Verletzungsmechanismen

Die Verletzung des VKBs entsteht typischerweise durch einen Richtungswechsel. Häufig liegt eine Drehbewegungsstellung des Unterschenkels nach außen mit Valgusbeugungsstress oder eine Drehbewegungsstellung nach innen mit Varusbeugungsstress vor. Auch zu starke Streck- (Hyperextensions-) oder zu starke Beuge- (Hyperflexions-) bewegungen können Auslöser sein. Sportverletzungen überwiegen. Ein Riss kann auch durch eine Auskugelung der Kniescheibe (Patellaluxation) mit plötzlichem Stabilitätsverlust des Kniegelenks bedingt sein. Besonders häufig treten solche Verletzungen (Traumata) unter so genannten „Stop-and-Go“-Sportarten (z. B. Tennis oder Squash) und bei unter Mannschaftssportarten (z. B. Fußball, Handball oder Basketball) unter Fremdeinwirkung auf, aber auch beim Skifahren (der Tal-Ski dreht nach außen, der Körper bleibt aber über dem Berg-Ski fixiert).

Durch den Ausfall (Insuffizienz) des VKBs ist die Funktion der sekundären Stabilisatoren gestört, es resultiert eine pathologische Bewegungsfreiheit des Schienbeinkopfes nach vorne (vetral), der so genannte „Tibiavorschub“. Gelenkkapsel, Seitenbänder, HKB und Menisken werden vermehrt beansprucht, um den Schienbeinvorschub zu bremsen. Es kommt zu einer Überdehnung der Bandstrukturen. Bei Zunahme des Schienbeinvorschubs kommt es zu Knorpelschäden, u. a. dadurch bedingt, dass der Knorpel einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt ist. Eine höhere Belastung bedeutet in so einem Fall eine frühzeitige Abnutzung mit Ausbildung einer Arthrose. Begleitende Verletzungen der Menisken und des Knorpels potenzieren das Risiko einer Arthrose.

Risse des HKB sind seltener. Sie entstehen aufgrund des Überschreitens der maximalen Dehnungsmöglichkeit des HKB, in der Regel durch äußere Gewalteinwirkung. Von einem hinten Kreuzbandriss ist in den meisten Fällen nicht nur das HKB betroffen. Die Verletzungen sind meist weitaus komplexer und betreffen in der Regel das gesamte Kniegelenk.

Häufig sind für hintere Kreuzbandrisse Verkehrsunfälle verantwortlich. Dies ist darauf zurückzuführen, dass durch das Sitzen im PKW das Knie gebeugt ist. Durch ein Anprallen des Unterschenkels an das Armaturenbrett reißt das HKB. Dieser Mechanismus wird auch „dashboard injury“ genannt. Am häufigsten entstehen HKB-Verletzungen heute bei Motorradunfällen mit Sturz auf das Knie.

Bei körperkontakt-betonten Sportarten (z. B. American football) kann eine von vorne-mittig einwirkende Gewalt durch eine zu starke Streckung zu einer Verletzung des HKB führen. Häufig kommt es hierbei zu Mitverletzungen des VKBs sowie der hinteren Gelenkkapsel.

Häufigkeit

Das VKB reißt zehnmal so häufig wie das HKB. Der Riss des VKB ist die häufigste Bandverletzung des Knies. Die Häufigkeit liegt bei etwa 0,5 - 1 VKB-Rissen pro tausend Einwohner (USA, Mitteleuropa).

Symptomatik

Wenn ein Kreuzband gerissen ist, führt dies meist zu einer deutlichen Schwellung des Kniegelenks und in Folge zu Schmerzhaftigkeit aufgrund der Kapseldehnung des Gelenkes. Meist besteht ein blutiger Gelenkerguss (Hämarthros), der auch sehr schnell die Beweglichkeit des Kniegelenks einschränkt. Bei bestehendem Hämarthros besteht nach Punktion bereits eine 80%ige Wahrscheinlichkeit für eine Kreuzbandverletzung in der ärztlichen Diagnostik. Diese Symptomatik wurde bereits im Jahre 1879 von dem Franzosen Segond beschrieben: Heftiger Schmerz im Knie-Inneren und rasches Einbluten mit entsprechender Schwellung des Gelenkes (Grund: das Kreuzband hat Nerven, die beim Zerreißen Schmerz auslösen und Blutgefäße, die dabei kräftig bluten). Oft ist das Zerreißen mit einem hörbaren Knall verbunden. In der Regel muss der ausgeübte Sport abgebrochen werden (Ausnahme: ein Skifahrer kann oft noch die Abfahrt bewerkstelligen, wenn auch mit Schmerzen). Treffen all diese Symptome zu, so handelt es sich mit 90%iger Sicherheit um einen Riss des VKB (oder beider). Das Knie lässt sich meist nicht mehr ganz strecken und wird in leichter Beugestellung gehalten (Schonhaltung). In dieser Beugestellung kann man den Unterschenkel- mit der Hand gegen den Oberschenkelknochen um etwa 5-10 mm  nach vorne ziehen, ohne einen Anschlag zu spüren, während beim gesunden Knie nur wenige Millimeter (2-3 mm ) möglich sind und man dann einen Anschlag verspürt (positiver Lachman-Test).

Isolierte VKB-Risse sind häufig. Manchmal kommt es auch zu gleichzeitigen Verletzungen der Knieseitenbänder und/oder Menisken, wobei der Außenmeniskus häufiger betroffen ist. Seltener, dafür meistens übersehen, ist der Riss der hinteren, äußeren Kapselschale, vor allem der Sehne des Popliteusmuskels (tiefer Wadenmuskel). Unbehandelt führt diese Verletzung zu einer erheblichen Kniegelenksinstabilität mit sichtbar gestörtem Gang.

Diagnostik

  • Bei einem Riss des VKBs kommt es zum so genannten vorderen Schubladenphänomen: Bei gebeugtem Knie kann der Unterschenkel von hinten nach vorne geschoben werden.
  • Bei einem Riss des HKBs kommt es zum so genannten hinteren Schubladenphänomen: Bei gebeugtem Knie kann der Unterschenkel von vorne nach hinten geschoben werden.

 

Die initiale Diagnose wird mittels Schubladen- und Lachman-Test (seltener Pivot-shift-Test) durchgeführt und kann mit bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT) bestätigt werden. Es gilt hier anzumerken, dass die MRT in der Diagnostik eines Kreuzbandrisses 20% falsche Diagnosen erstellt. Hier kommt es auf die so genannten Schnittbilder und geeignete Positionierung des Kniegelenkes (Gentry) in der MRT-Untersuchung an. Der Radiologe sollte die genaue Vorgeschichte kennen, die zur Verletzung führte und auch Erfahrung in der Untersuchung eines verletzten Gelenkes haben, um Fehlbeurteilungen zu vermeiden.

Aufgrund der Anatomie des VKBs (2 Bandanteile=Faszikelbündel) ist eine klinische Diagnose oft erschwert, wenn nur ein Bündel gerissen ist. Hier ergibt sich dann ein z. B. negatives Schubladenphänomen in 90° Beugung des Kniegelenkes, aber z. B. ein positiver Lachman-Test in 15° Beugung.

Die Instabilität, die durch einen Kreuzbandriss entsteht, sorgt für eine Überbelastung von Knorpel, Innen- und Außenmeniskus. Wird die Instabilität nicht durch die Muskulatur kompensiert oder durch eine Operation beseitigt, kommt es häufig zu einem Meniskusriss und/oder Knorpelschädigung mit Arthrose.

Ein Ausfall (Insuffizienz) des HKB kann in einigen Fällen durch eine Beobachtung (Inspektion) des in 90° gebeugten Kniegelenks von der Seite beim liegenden Patienten beurteilt werden. Bei zurückgesunkenem Schienbeinkopf sollte an eine Verletzung des Bandes gedacht werden. Durch zusätzliches Anspannen der so genannten ischiocruralen Muskulatur (hintere Oberschenkelmuskulatur) kann dieses Phänomen verstärkt werden. Durch nachfolgende Quadrizepsmuskel-Anspannung (Kontraktion) wird die hintere Schublade aufgehoben.

Der Stabilitätsverlust tritt mit zunehmender Beugung im Kniegelenk ein und ist bei Streckung nicht vorhanden. Dadurch erklären sich die erstaunlich geringen Beschwerden bei isolierten Rissen. Beschwerden werden vor allem beim Treppensteigen oder beim Heben von Gewichten hinter der Kniescheibe (retropatellar) angegeben (erhöhter Druck des Oberschenkelknochens auf die Kniescheibe). Auf Dauer ist eine Arthrose unumgänglich.

Späte Zeichen eines nicht diagnostizierten VKB-Risses

Es kann zum so genannten „giving way“ kommen. Dies bedeutet, dass das Kniegelenk instabil ist. Der Patient hat den Eindruck, dass z. B. unter Treppen-abwärts-Gehen der Unterschenkel nicht unter Kontrolle steht. Sportliche Belastungen mit Drehbewegungen des Kniegelenkes sind nicht möglich oder werden vermieden. Rezidivierende Schwellneigungen durch Gelenkergüsse können auftreten.

Behandlung

Operationstechniken

In den 1970er bis 1980er Jahren lag die Operationsgrenze bei 35 Jahren. Dies lag noch an den eingeschränkten operativen Möglichkeiten in Zusammenhang mit der mäßigen Blutversorgung und Heilungstendenz des VKB. Heute liegt die Altersgrenze wesentlich höher (ca. 65 Jahre), da Minimal-invasive Chirurgie-Techniken zum Einsatz kommen, sollte aber in dieser Altersstufe sehr wohl abgewogen werden.

In den 1980er Jahren wurde die Primärnaht bevorzugt (bei z. B. intraligamentären Rissen) oder die PDS-Augmentation inklusive der Primärnaht durchgeführt. In den späten 1980er Jahren wurde mit Goretex und Kennedy-Lad-Implantaten (Bändern) gearbeitet. Diese zunächst viel versprechenden Verfahren konnten sich nicht durchsetzen, aufgrund schlechter Einheilung oder biomechanischem Versagen. Auch wenn diese Verfahren teilweise heute noch modifiziert Anwendung finden.

Während noch in den 1980er Jahren meist sofort oder zumindest kurzfristig nach der Verletzung eine Operation durchgeführt wurde, ist in den 1990er Jahren nach klinischer Untersuchung durch Röntgen und Magnetresonanztomographie die Diagnose bestätigt worden und eine so genannte zweizeitige Operation bevorzugt worden. Erstoperation war die Arthroskopie und Resektion des gerissenen Kreuzbandes und Versorgung von allfälligen Meniskusverletzungen als Vorbereitung für die zweite Operation (VKB Plastik). Im Anschluss daran folgte eine physiotherapeutische Behandlung zur Abschwellung des Knies und Kräftigung der Muskulatur. Nach Abklingen der Symptomatik wurde zirka 6 Wochen nach Erstarthroskopie die eigentliche Kreuzband-OP durchgeführt.

Diese zweizeitige Methode wurde teilweise bis Ende des Jahres 2000 durchgeführt, da man bei den „Sofortoperationen“ eine höhere Rate an Kapselfibrosen und damit massive Bewegungseinschränkungen nach der OP beobachtete.

Dies hat sich in den letzten Jahren geändert, dank der Fortschritte in der minimal-invasiven Technik, so dass hier wieder einzeitig operiert werden kann.

Absolute Indikation für eine Operation ist die Instabilität. Diese führt ohne Stabilisationsoperation zu Meniskusschäden und letztendlich zu einer Arthrose des Gelenkes. Es sind vorwiegend sportlich aktive Menschen in jüngeren Altersstufen betroffen, wobei auch in den letzten Jahren die Generation der über 50-jährigen einen Anstieg an VKB-Sportverletzungen in Deutschland zu verzeichnen hatte. Besteht ferner für die Betroffenen eine berufliche Einschränkung (z. B. Handwerksberufe), so ist auch hier die Operation notwendig.

In Anlehnung an die Brücknerplastik (1966) werden heute folgende Techniken angewandt:

Kniescheibensehne

Bei der Kniescheibensehne handelt es sich um eine sehr große und starke Sehne, sie stellt daher in vielen Fällen das Mittel der Wahl dar, ist aber nur halb so elastisch wie das natürliche eigene Kreuzband. Bei der Rekonstruktion des Kreuzbandes mittels autologer Kniescheibensehne wird diese mit anhängenden Knochenteilen (engl.: bone tendon bone=Knochen-Sehne-Knochen) entnommen und durch verbreiterte Kanäle (10 mm  Durchmesser) in Schienbein bzw. Oberschenkelknochen gezogen. Die stabilste Verankerung der Knochenenden des autologen Transplantats (auch engl.: Graft=Transplantate ohne Blutversorgung, weshalb sowohl hier als auch bei der im folgenden Abschnitt näher erläuterten Semitendinosustechnik von Autograft gesprochen wird, mit griechisch άυτο=selbst) wird durch die Fixation mit so genannten Interferenzschrauben erreicht. Diese ist besonders wichtig im Hinblick auf eine frühe funktionelle Mobilisierung. Die Rekonstruktion kann hierbei offen oder zunehmend auch arthroskopisch erfolgen. Die korrekte Lage der Bohrkanäle ist zu beachten. Hinsichtlich der Lage ist die Bohrung am Oberschenkelknochen wichtiger als die am Schienbein.

Die Unterstützung nach der Operation mittels einer Motorschiene (Orthese) ist häufig nicht nötig, so dass die Gefahr der Muskelatrophie geringer ist als bei anderen Verfahren. Dieser Vorteil ist insbesondere für Sportler interessant, die eine frühzeitige Rückkehr zu alter Leistung wünschen.

Nachteil dieser Technik ist, dass sie häufig schmerzhafter ist als die Alternativen. Insbesondere die unterhalb der Kniescheibe verlaufende Naht von der Entnahme des Transplantates mit den bestehenden „Knochenlücken“ durch die Knochenblöcke kann zu längerfristigen Problemen führen. Weiterhin dauert die Verheilung der Kniescheibensehne bis zu einem Jahr, was zu einer erhöhten Gefahr der Entzündung (Tendinitis) führen kann. Da die Kniescheibensehne nur halb so dehnbar ist, wie das eigentliche Kreuzband, kann es bis zu 1,5 Jahren dauern, bis wieder an so genannten „Stop-and-go“-Sportarten teilgenommen werden kann. In Einzelfällen sind Fissuren der Kniescheibe beobachtet worden, die unter hoher Belastung zum Knochenbruch (Fraktur) derselben führen können. Diese ist jedoch eine äußerst seltene Komplikation und wird vorwiegend in Lehrbüchern beschrieben.

Semitendinosussehne

Der halbsehnige Muskel (Musculus semitendinosus) zieht an der zur Mitte zeigenden Seite vom Kniegelenk zum Oberschenkelknochen und ist Bestandteil des so genannten „Gänsefußes“ Pes anserinus superficialis, der zusätzlich aus den Sehnen des Musculus gracilis und Musculus sartorius gebildet wird.

Die Sehne (Transplantat) wird durch einen mittleren Schnitt auf dem Schienbein, knapp unterhalb des Knies, mittels eines so genannten tendon stripper oder ring stripper (engl.: Sehnenschneider, auch harvester, to harvest=ernten) entnommen, je nach Länge drei- oder vierfach mit einer bestimmten Fadentechnik zusammengelegt, verdrillt, fixiert und durch eine Bohrung durch den Unterschenkel zum Oberschenkel geführt und dort ebenfalls befestigt.

Die Semitendinosussehne ist nicht so stark wie die Kniescheibensehne, so dass nach der Operation teilweise das Tragen einer Motorschiene für die ersten ein bis zwei Wochen empfohlen wird (passive Mobilisierung zur Dehnung). Diese Technik war der Kniescheibensehnentechnik bis etwa zum Jahre 2003 ebenbürtig. Seitdem etabliert sich diese Technik als so genannter „Goldstandard“, da vor allem die Entnahmestelle weniger schmerzhaft verheilt. Eine noch höhere Belastbarkeit des Ersatzkreuzbandes erreicht man durch die gleichzeitige Entnahme der Sehne des Gracilismuskels, diese wird mit der Semitendinosussehne vernäht, wodurch der Querschnitt und die Zugbelastbarkeit des Transplantates erhöht wird.

Allograft

Bei einem so genannten Allograft handelt es sich um ein Leichen-Transplantat. Hierfür in Frage kommen die vorgenannten Sehnen, wie auch eine präparierte Achillessehne. Vorteil ist die vollständige Schmerzvermeidung an einer Entnahmestelle, da dem Patienten kein Transplantat entnommen wird. Es gibt weiterhin keine große Naht auf dem Knie oder Schienbein. Nachteil dieser Technik ist das Risiko einer Abstoßungsreaktion durch den Körper, welche zur Entfernung des Transplantats führen würde. Diese Verwendung von so genanntem „lyophilisiertem“ (gefiergetrocknetem) Leichentransplantat wird bei mehrfachen (multiplen) VKB-Rissen verwendet, wenn kein Autograft mehr Verwendung finden kann.

Befestigung des Transplantats

Zunächst wurden die Implantate in den frühen 1990er Jahren mit so genannten Titan-Interferenzschrauben als Fixation an beiden Enden des Implantates, teilweise auch nur einseitig verschraubt und am Oberschenkelknochen mit einem so genannten Endo-Button (ca. 10mm  langer Titanstift, der durch das das Implantat „gefädelt“ wird) befestigt.

Später wurden sie durch so genannte Bio-Screws (autobioresorbierbare Schrauben auf Zuckermolekülbasis) ersetzt, die einen erneuten Eingriff zur Materialentfernung unnötig machten, anfänglich aber unter hoher Belastung zum Ausriss der Kreuzbandplastik neigten oder bei Einbringen in den Bohrkanal öfter auseinanderbrachen.

Um das Jahr 1995 wurde dann ebenfalls auf die „Schraubenfixation“ gänzlich verzichtet und von der so genannten „Press-Fit-Technik-Fixation“ abgelöst (bei B-T-B Operation). Hierbei wurden die Knochenenden konisch zugerichtet, welches ein festes Verkanten in den Bohrkanälen garantierte.

Ab dem Jahre 1996 kamen operative Verfahren mittels robortergesteuerten Bohrkanaldiamantfräsen auf, welche sich in letzter Zeit aufgrund hoher Kosten (personal- und apparateintensiv) nicht durchsetzen konnten und keine eindeutig besseren operativen Ergebnisse hervorbrachten.

Bei Semitendinosus- und Gracilistransplantaten (STG) werden nach wie vor Bio-Screws für die Befestigung genommen.

Zur Verstärkung der Naht von frischen Kreuzbandverletzungen und als Prothese bei Hochleistungssportlern bzw. als Prothese nach mehrmals fehlgeschlagenen Bandoperationen werden auch manchmal Kunstbänder mit eingenäht.

Die Operationsdauer beträgt je nach Transplantat 0,75-1,5 Stunden und kann unter Vollnarkose oder Spinalanästhesie durchgeführt werden.

Physiotherapie

Nicht jedes gerissene Kreuzband muss operiert werden. In jedem Fall wird individuell, in Abhängigkeit von Lebensalter, Aktivität, Sportfähigkeit, Bereitschaft und Alltagsfähigkeit (Morbidität) des Patienten entschieden. Daher bedarf die Therapieentscheidung eines eingehenden Gespräches mit dem Patienten.

Von der notfallmäßigen primären Versorgung wird heute Abstand genommen, da sie häufig zu narbenbildungsbedingten Streckdefiziten (Athrofibrosen) führt. Es empfiehlt sich eine verzögerte primäre Rekonstruktion etwa ab der 3. Woche.

In der konservativen Therapie sollte über eine frühfunktionelle Bewegungsbehandlung versucht werden, die Kniegelenksinstabilität durch ein konsequentes Muskelaufbautraining zu kompensieren und so die fehlende Stabilität wieder herzustellen. Häufig wird durch eine Schienung des Kniegelenks in einer Orthese (Knie-Brace) für sechs Wochen und begleitende Physiotherapie eine ausreichende Stabilität erreicht.

Bei komplexen Kniebandverletzungen (z. B. „Unhappy triad“), knöchernen Ausrissen des VKB, zusätzlichen Meniskusläsionen, fehlender muskulärer Kompensation nach intensiver Physiotherapie sowie bei jüngeren leistungsorientierten Sportlern sollte eine operative Behandlung durchgeführt werden.

Ziel der Therapie sollte nicht die alleinige Wiederherstellung der Stabilität sein, sondern vielmehr die Erhaltung der gesamten Gelenkfunktion, d. h. Stabilität, inklusive des Gefühls eines stabilen Kniegelenks, freie Gelenkbewegung und Beschwerdefreiheit.

Nach der Operation wird frühfunktionell beübt (teilweise passiv mittels Motorbewegungsschiene) und die Mobilität des Patienten mit Unterarmgehstützen und unter Umständen mit einer Kniegelenksorthese hergestellt. Im Anschluss erfolgt eine physiotherapeutische Behandlung, die je nach Operationstyp und Schule nach etwa 2 Wochen zur Vollbelastung des operierten Knies führen soll. Nach etwa 6 Wochen können Übungen auf dem Therapiekreisel oder Minitrampolin unter Anleitung durchgeführt werden. Sportfähigkeit für leichtes Lauftraining besteht ab zirka dem 3. Monat nach der OP. Insgesamt dauert die Rehabilitationsphase im Durchschnitt sechs bis neun Monate, bevor die volle Sportfähigkeit erreicht ist. Die vollständige Einheilung (Remodellisierungsphase) des VKB ist erst nach einem Jahr abgeschlossen.

Die Nachbehandlung nach der OP unterscheidet sich im Wesentlichen nur marginal. Es existieren feste Standards in der physiotherapeutischen Behandlung, die nur unwesentlich differenzieren. Hier sollten auch klare Nachbehandlungsschemata je nach Operationsmethode ihren Niederschlag in der Behandlung finden. Die Erfahrung und Arbeit des Physiotherapeuten ist somit in der Folge für den Heilungsprozess von entscheidender Bedeutung.

Tiermedizin

In der Tiermedizin werden größtenteils humanmedizinische Techniken angewandt, die jedoch den Besonderheiten der Biomechanik des Kniegelenks bei Tieren häufig nicht gerecht werden. Zu Korrektur von Kreuzbandrissen wurden in jüngerer Zeit daher aufwändige Osteosynthese-Verfahren wie die Tibial Plateau Leveling Osteotomy (TPLO) und die Tibial Tuberosity Advancement (TTA) entwickelt.

Literatur

  • Antje Hüter-Becker: Lehrbuch zum neuen Denkmodell der Physiotherapie - Band 1 Bewegungssystem, Thieme Verlag, Suttgart, New York, 2002
  • Jörg Jerosch/Jürgen Heisel: Das Kniegelenk - Rehabilitation nach Verletzungen und operativen Eingriffen, Pflaum Verlag, München, Bad Kissingen, Berlin, Düsseldorf, Heidelberg, 2004
  • Volker Schumperlick/Niels Bleese/Ulrich Mommsen: Kurzlehrbuch Chirurgie, 6. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 2004
  • Kurt Tittel: Beschreibende und funktionelle Anatomie des Menschen, 12., völlig neu überarbeitete Auflage, Fischer Verlag, Jena, Stuttgart, 1994
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