Verhandlung über Patente auf menschliche Stammzellen: Entscheidung vertagt

25.06.2008

(dpa-AFX) Das Europäische Patentamt (EPA) in München hat am Dienstag über die Patentierbarkeit embryonaler Stammzellen verhandelt. Der US-amerikanische Forscher James Thomson, der als Pionier der Stammzellenforschung gilt, will sein Forschungsverfahren, und damit auch die Zellen selbst, patentieren lassen. 1998 war es ihm als erstem Wissenschaftler gelungen, menschliche embryonale Stammzellen zu kultivieren. Die EPA-Anhörung ist abgeschlossen, die Entscheidung steht aber noch aus. Die Große Beschwerdekammer hat sie auf unbestimmte Zeit vertagt.

"Es gibt keinen Grund dafür, embryonale Stammzellen von der Patentierbarkeit auszuschließen", sagte Justin Turner, der Anwalt der Wisconsin Alumni Research Foundation (WARF), die die Interessen Thomsons vor der Großen Beschwerdekammer des EPA vertritt. Die Richtlinie 23d des Europäischen Patentübereinkommens schließe zwar aus, Patente für menschliche Embryonen zu vergeben, das gelte aber nicht für Zellen, die aus Embryonen gewonnen würden, meinte er.

Mit dem Hinweis auf diese Richtlinie, die "die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken" von der Patentierbarkeit ausschließt, hatten vorhergehende Instanzen am EPA den Antrag Thomsons bislang abgelehnt. Die Große Beschwerdekammer ist die höchste Instanz, erwartet wird nicht weniger als ein Grundsatzurteil.

"Die Richtlinie 23d muss im Licht der europäischen Grundrechtecharta gesehen werden. Danach ist es verboten, aus dem menschlichen Körper oder Körperteilen finanziellen Profit zu schlagen. Man darf natürlich nicht mit Körperteilen handeln. Das gilt aber nicht für Zellen, die aus dem Körper entnommen werden", sagte der WARF-Anwalt.

Er sagte außerdem, dass die Grundrechtecharta Embryonen kein ausdrückliches Recht auf Leben zuschreibe. Abtreibung sei in den meisten Staaten der Europäischen Union legal. Außerdem würden Embryonen jeden Tag zerstört, wenn eine Frau die "Pille danach" nehme. "Darin sieht, bis auf strenggläubige Katholiken, kaum jemand ein moralisches Dilemma und die Embryonen sind genau so alt wie die, aus denen Stammzellen gewonnen werden."

Ein Sprecher des Patentamtes, der EPA-Präsidentin Alison Brimelow vertrat, berief sich dagegen noch einmal auf die Richtlinie 23d, die Embryonen vor Kommerzialisierung schützen soll. "Im Fall der Antragsteller kann kein Zweifel daran sein, dass ein Embryo benutzt wird", sagte er und verwies auch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Darin sei betont worden, die Menschenwürde von Embryonen müsse geschützt werden.

Sein Kollege erläuterte, dass es in der Verhandlung vor der Großen Beschwerdekammer nicht um die Rechtmäßigkeit der embryonalen Stammzellenforschung, sondern lediglich um deren Patentierbarkeit gehe.

Wann die Große Beschwerdekammer über den Fall entscheiden wird, blieb nach der Anhörung, für die ursprünglich zwei Verhandlungstage angesetzt waren, offen. "Vielleicht schaffen sie es, vor der Sommerpause eine Entscheidung zu fällen", sagte EPA-Sprecher Rainer Osterwalder.

Die WARF bat die Große Beschwerdekammer, die Meinung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache einzuholen. Das EPA habe "mit der Europäischen Union im Grunde nichts zu tun", sagte Turner. Obwohl das Amt EU-Recht umsetzt und im Falle Thomsons auch interpretiert, ist es keine Institution der Europäischen Union. Das EPA befürchtete einen Verlust seiner Souveränität, sollte der Europäische Gerichtshof beteiligt werden. Auch die Entscheidung über diesen Antrag steht noch aus.

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