Rasanter Wettlauf in der Stammzellforschung - Deutschland dabei?

28.01.2002
Hamburg (dpa) - Während deutsche Politiker noch über den Import embryonaler Stammzellen diskutieren, haben Wissenschaftler weltweit einen rasanten Wettlauf begonnen. Kaum ein anderes Fachgebiet hat sich in den vergangenen Jahren derart rasch entwickelt wie die Forschung an Stammzellen - abgesehen von der Entzifferung des Erbguts. Die Technik soll zu neuen Therapien bei Diabetes, Herzinfarkt, Parkinson und anderen Krankheiten führen. Erst vor rund drei Jahren, Ende 1998, präsentierten US-Forscher die ersten Stammzellen, die aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden. Darüber hinaus fanden Forscher in den vergangenen Jahren so genannte adulte Stammzellen in Gehirn, Leber und anderen Organen. Besondere Erfolge gibt es mit schon länger bekannten Stammzellen aus dem Knochenmark, die sich relativ leicht in verschiedene Gewebe umwandeln können. An der Universität Rostock haben Forscher um den Medizinprofessor Gustav Steinhoff im vergangenen Sommer weltweit erstmals Stammzellen aus dem Knochenmark von Herzinfarkt-Patienten entnommen, gereinigt und in den erkrankten Herzmuskel gespritzt. Ob die Stammzellen oder ein gleichzeitig gelegter Bypass für die Verbesserung der Herzwerte der Patienten verantwortlich sind, kann der Mediziner auf Grund des frühen Versuchsstadiums allerdings noch nicht sagen. «Fest steht: Dieses Verfahren funktioniert im Tierversuch.» embryonale Stammzellen sind Steinhoff zufolge dagegen nur unter erheblichen Einschränkungen für die Therapie nutzbar. Fremdes Gewebe könne durch das Abwehrsystem des Körpers abgestoßen werden. «Die Differenzierung von embryonalen Stammzellen zu einem bestimmten Gewebe hin ist ebenfalls nicht einfach zu steuern», sagt Steinhoff. Stammzellen aus dem Knochenmark dagegen seien schon von Natur aus in der Lage, etwa in die Leber zu wandern und dort Lebergewebe zu bilden. Knochenmarkszellen seien zudem einfach zu gewinnen. Es gibt Versuche, sie gegen Rheuma einzusetzen oder neues Knorpelgewebe zu züchten. «Es kann aber auch sein, dass andere Wege erfolgreich werden», meint Steinhoff. Der Oberarzt Wolfgang-Michael Franz von der Ludwig-Maximilians- Universität München forscht mit embryonalen Stammzellen anstatt mit adulten, «weil sie die Erfolg versprechendere Quelle sind». Er hatte schon vor der aktuellen Import-Diskussion embryonale Stammzellen eingeführt. «Wir haben noch nicht damit gearbeitet.» Es sei ungewiss, ob sie überhaupt noch nutzbar sind, wenn dies politisch erlaubt werde. Für embryonale Mäusestammzellen hat er jedoch schon ein Verfahren entwickelt, mit dem er neu gebildete Herzmuskelzellen aus dem übrigen Gewebe trennen kann. «Aus embryonalen Stammzellen lässt sich eine große Menge Herzmuskelzellen gewinnen. Es gibt keine sicheren Belege dafür, dass adulte Zellen eine so große Menge bilden», erläutert Franz. Sicherlich könne es beim Einsatz embryonaler Stammzellen zu Abstoßungsreaktionen kommen, aber das gebe es bei Herz- Transplantationen auch. Wenn es genehmigt sei, würde er auch menschliche embryonale Stammzellen in Deutschland herstellen. Jan Schindehütte vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen befürwortet zumindest deren Import. Er möchte mit ihrer Hilfe eine weitere Therapie für Parkinson-Patienten schaffen. Noch seien adulte Stammzellen schwierig im Labor zu kultivieren. Daher möchte er an embryonalen Stammzellen Entwicklungsschritte beobachten, die auch für adulte Stammzellen gelten. «Wir wollen embryonale Stammzellen nutzen, um sie letztendlich überflüssig zu machen», sagt Schindehütte. Ziel sei es, Schalter zu finden, mit denen sich Zellen in verschiedene Gewebe entwickeln können. Die meisten Forscher sehen Hoffnung auf die Heilung von Herzinfarkt-Patienten, Diabetikern und Parkinson-Kranken - Leiden, bei denen jeweils ein spezieller Zelltyp zerstört ist. In jedem Fall seien mehrere embryonale Stammzelllinien nötig, meint Franz. Aus der einen Zelllinie lassen sich eben besser Nerven-, aus der anderen dagegen Herzgewebe züchten. Franz ist jedoch auch dafür, alle Wege auszuprobieren und auch an adulten Zellen zu forschen. «Es wird mindestens zehn Jahre dauern, bis man entscheiden kann, welches Verfahren das bessere ist.»

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