Herzforschung: h_da-Test macht Tierversuche mittels künstlichem Herzmuskel überflüssig

29.11.2007

Ein Team von Wissenschaftlern aus Biologie und Informatik der Hochschule Darmstadt (h_da) hat einen neuartigen Test entwickelt, der die Forschung an Herzmedikamenten verbessern soll. Der"Myocardial Activity Test" ermöglicht es, die Wirkung von Stoffen mit herzschädigender und -schützender Wirkung auf Herzmuskeln zu testen. Das Besondere dabei: Dieser Test kommt völlig ohne Tierversuche aus. Dafür werden künstliche Mäuse-Herzmuskel eingesetzt, die aus Stammzellen erzeugt werden. Durch eine in den Test integrierte Bilderkennungssoftware wird zudem die Auswertung der Reaktionen des Herzmuskels einfacher und umfassender möglich als bisher. Interessant könnte dies für Hersteller von Herzpharmaka werden. Sie müssen ihre Medikamente mehrjährigen Wirksamkeits- und Unverträglichkeitsprüfungen unterziehen, bevor diese auf dem deutschen Markt zugelassen werden. Bisher wurden dafür in der Regel auch Tierversuche durchgeführt.

"Der Test macht es möglich, die Wirkung von herzaktivierenden Substanzen, herzschützenden und herzschädigenden Stoffen in ihrer Wirkung auf Herzmuskeln allein und in Kombination zu erforschen. Durch die integrierte computergestützte Auswertung können beispielsweise Medikamententests in Zukunft deutlich schneller und umfassender durchgeführt werden. Die vorklinische Medikamentenentwicklung kann so beschleunigt werden und das ohne ein einziges Labortier dafür zu opfern."

Bei der Entwicklung des "Myocardial Activity Test" wurden die Kompetenzen aus den beiden h_da-Fachbereichen "Chemie- und Biotechnologie" sowie "Informatik" übergreifend zusammengebracht. Das Forschungsteam besteht neben Projektleiter Prof. Dr. Dieter Pollet (Fachgebiet Zellbiologie) aus der Diplom-Ingenieurin für Biotechnologie (FH) Felicitas Merz und Dirk Andres, Masterabsolvent des h_da-Studiengangs Informatik M.Sc. Informatik.

Für den Test werden aus frei verfügbaren embryonalen Mäuse-Stammzellen in einem speziellen Verfahren der Gewebezüchtung, das "tissue engineering" genannt wird, Mäuse-Herzmuskeln herangezüchtet. Das dauert etwa zehn Tage. Den schlagenden Herzmuskeln werden dann unter Beobachtung einer Kamera Testsubstanzen hinzu gegeben und bildanalytisch erfasst. (Die Zelllinie der dafür verwendeten embryonalen Mäuse-Stammzellen wurden 1988 einer trächtigen Labormaus entnommen.)

Bei der Untersuchung zeigen die untersuchten Mäuse-Herzmuskel im Mikroskop verschiedene Reaktionsarten auf die Hinzugabe von Testsubstanzen. Dazu gehören etwa Veränderungen der Schlagfrequenz und -geschwindigkeit. Diese Reaktionen sind jedoch sehr vielfältig und aufgrund ihrer feinen Unterschiede kaum mit dem bloßen Auge wahrnehmbar, geschweige denn zu interpretieren. Um die Auswertung dennoch zu ermöglichen, entwickelte Projektmitarbeiter Dirk Andres ein Bilderkennungsprogramm, das die Reaktionen der gezüchteten Herzmuskel mittels der eingesetzten Kamera präzise aufzeichnet und in Echtzeit auswertet. Das bedeutet, dass die Wirkung der Substanz dem Wissenschaftler sofort auf dem Monitor angezeigt wird. Dabei wertet das Programm Bewegungen mit Algorithmen aus, die ursprünglich in der Analyse von Straßenverkehr eingesetzt werden. Das Programm wertet beispielsweise Schlagfrequenz und Kontraktionsgeschwindigkeit der untersuchten Muskeln aus und erstellt Statistiken über Trends der Wirkung. Erkennbar wird dadurch etwa eine Abnahme der Schlagfrequenz des Muskels innerhalb eines Untersuchungszeitraumes von bis zu einigen Tagen. Durch den Einsatz der Software können zeitgleich mehrere Proben getestet werden. Dies resultiert in einem erhöhten Testdurchsatz und Beschleunigung der Forschungsarbeit.

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