Beim DNA-Transfer ist weniger mehr

"Minicircles" ohne bakterielle Elemente eröffnen neue Horizonte

29.09.2006

Die Hürden für die Gentherapie sind hoch: Gene, die man zusätzlich zum vorhandenen DNA-Bestand in eine Zelle einbringen will, werden schnell als fremd erkannt und inaktiviert. Winzige Unterschiede zwischen der eigenen und der fremden DNA rufen zelluläre Abwehrmechanismen hervor, und nach wenigen Teilungen der Wirtszelle ist jede therapeutische Wirkung stillgelegt.

Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung ist es nun gelungen, die einzubringende DNA auf das Allernötigste zu reduzieren. Ihr viel versprechendes System der "Minicircles" beschreiben die Braunschweiger Wissenschaftler in Gene Therapy and Molecular Biotechnology.

"Die bisher verwendete Standardtechnik basiert auf der Verankerung der eingebrachten DNA im Genom der Wirtszelle", erklärt Professor Jürgen Bode, Leiter der Arbeitsgruppe Epigenetische Regulationsmechanismen im Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. "Ihre Wirksamkeit, die so genannte Expression, hängt von der Integrationsstelle ab."

Von Viren übernahmen die Genforscher das Prinzip der "Episomen": kleine ringförmige DNA-Moleküle, die sich locker an die Chromosomen anheften und ihnen bei der Zellteilung in die Tochterzellen folgen. "Im Gegensatz zu viralen Episomen brauchen wir als Haftmechanismus allerdings keine viralen - und damit potenziell gefährlichen - Proteine", erklärt die Helmholtz-Wissenschaftlerin Dr. Kristina Nehlsen, "sondern lediglich kurze DNA-Haftsequenzen."

Diese Episomen konnten nun, nachdem man Bakterien für ihre Produktion benutzt hatte, nachträglich auch noch von allen bakteriellen Sequenzen befreit werden. Ein durch Hitze aktivierbares Enzym sorgt dafür, dass das Bakterium selbst nach getaner Produktions-Arbeit die Markierungs- und Selektionsgene entfernt, die für die Vervielfältigung zu Beginn noch nötig waren. "Alle Elemente bakteriellen Ursprungs haben wir auf diese Weise aus den DNA-Elementen herausgeschnitten", erklärt Sandra Broll, Biologin in Bodes Arbeitsgruppe. "Bei den dabei entstehenden so genannten Minicircles fällt der tierischen Zelle gar nicht mehr auf, dass es sich um fremde DNA handelt."

Um bei jeder Zellteilung vererbt zu werden, muss die einzubringende DNA zunächst vorsichtig in die Zelle geschleust werden: Die DNA-Minicircles werden in kleine Lipidtröpfchen verpackt, die dann mit der äußeren Hülle der Wirtszelle verschmelzen. Im Zellinneren können sich die Mini-Ringe dann dank spezieller Elemente, der so genannten S/MARs, am Zellkern anheften. S/MAR steht für scaffold/matrix attachment region - kurze DNA-Stücke, die an die Zellkern-Matrix binden und aktive DNA-Bereiche von inaktiven isolieren. Einmal im Zellkern angeheftet, werden die DNA-Minicircles bei jeder Zellteilung weiter vererbt und gleich bleibend abgelesen.

Die Methode wurde zunächst für Minicircles ausgearbeitet, die nur ein einzelnes Gen tragen. "Je größer die übertragene DNA ist, desto instabiler wird sie leider", sagt Prof. Bode. "In den nächsten Schritten sollen mindestens zwei Gene auf getrennten Circles übertragen und in ihrem Expressionsverhältnis angeglichen werden. Ein solcher, neuartiger Ansatz eignet sich zunächst für die Herstellung von Antikörperketten im optimalen Verhältnis."

Originalveröffentlichung: K. Nehlsen, S. Broll, J. Bode; "Replicating minicircles: Generation of nonviral episomes fort the efficient modification of dividing cells."; Gene Therapy and Molecular Biology 2006, Vol. 10.

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