Das fingernagelgroße Labor - Elektronische Biochips finden Keime

03.11.2004

(dpa) - Der Nachweis von Krankheitserregern in Blutproben oder Umweltgiften in Flüssen bedurfte bislang großer Labore und mehrerer Arbeitsschritte. Eine Alternative bieten jetzt fingernagelgroße Biochips. Gezielt fangen diese Mini-Labore gesuchte Substanzen ein - etwa Krebs auslösende Viren oder bestimmte Hormone und melden dies über ein elektrisches Signal. Für seine Arbeiten zum «Labor auf dem Chip» ist ein Team vom Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie (ISIT) in Itzehoe gemeinsam mit Kollegen von Siemens und Infineon für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. Die mit 250 000 Euro dotierte Auszeichnung wird am 11. November von Bundespräsident Horst Köhler in Berlin vergeben.

«Jedes Molekül, das in der Natur einen Partner zu seiner Erkennung hat, kann mit einem Biochip gefunden werden», erläutert Rainer Hintsche vom ISIT. Nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip lassen sich etwa gezielt Stücke von Bakterienerbgut aus Proben herausziehen. Dazu wird nur eine Hälfte des normalerweise als Doppelstrang vorkommenden Erbgutschnipsels eines Bakteriums auf dem Chip befestigt. Fischt der Chip das fehlende Gegenstück aus einer Lösung, hat er damit den gesuchten Keim nachgewiesen. Nach dem gleichen Verfahren ließen sich auch andere Substanzen - etwa Hormone, Antibiotika oder Gifte - mit zugehörigen Antikörpern binden und messen, erklärt Hintsche.

Bis zu 100 Arten verschiedener Fängermoleküle werden mit einer Art Tintenstrahldrucker punktförmig auf Goldkontakte eines herkömmlichen Siliziumchips getropft, wie er auch in Chipkarten eingebaut ist. «Alle diese Positionen sehen dann gleichzeitig die Probe, die ich untersuche», erläutert Hintsche.

Biochips an sich sind keine neue Erfindung. Doch bisher ist die Bindung eines Fängermoleküles an eine gesuchte Substanz durch eine Farbreaktion angezeigt worden. Zur Auswertung bedürfen diese Farbänderungen noch der Umwandlung über optische in elektrische Signale. Die von einer Arbeitsgruppe des ISIT, Infineon und Siemens gemeinsam entwickelten Biochips machen beide Schritte in einem: Sobald etwa ein Eiweiß oder ein DNA-Stück an ein Fängermolekül binden, spaltet ein Enzym elektrisch leitende Teilchen ab. In der Folge fließt an dieser Stelle des Chips ein messbarer Strom. Diese winzigen elektrischen Signale verraten den Wissenschaftlern, welche Substanzen der Biochip eingefangen hat und welche nicht. «Wie bei einem Schachbrett ist dann zum Beispiel e7 besetzt», vergleicht Hintsche.

Teilweise wird die Erfindung bereits angewendet. Ein aus dem Fraunhofer-Institut hervorgegangenes Unternehmen und zwei weitere Firmen vermarkten verschiedene elektrische Biochips. Diese Wegwerftests beinhalteten 10 bis 20 verschiedene Positionen mit verschiedenen Fängermolekülen. Mit ihnen können beispielsweise Penizillin in Milch oder Kolibakterien in Wasser nachgewiesen werden. Außer Keimen und Krankheitserregern suchen Biochips in der Praxis momentan auch nach verschiedenen Proteinen. Derzeit spielten auch Giftstoffe eine große Rolle, sagt Hintsche.

Bei den Partnerfirmen liefen Hintsches Aussagen zufolge erste Praxistests. Siemens baut das Labor auf dem Chip in eine Scheckkarte ein. Das «quicklab» - eine Wegwerfkarte - erledige die sonst Tage dauernde Untersuchung eines Blut-Tropfens in einer Stunde, berichtet das Unternehmen in seiner Firmenzeitschrift. Ähnlich wie der Blutzuckerschnelltest für Diabetiker solle der Biochip in Zukunft Körperflüssigkeiten auf Krankheitserreger prüfen. Bis zur Herstellung eines Prototyps werde noch etwa ein Jahr vergehen.

Weitere News aus dem Ressort Forschung & Entwicklung

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Kampf gegen Krebs: Neueste Entwicklungen und Fortschritte