Die vollständige Sequenz des menschlichen Genoms liegt vor

15.04.2003
Washington/ Berlin - Das internationale Sequenzierkonsortium des Humangenomprojekts verkündet heute in Washington den Abschluss der Sequenzierung des menschlichen Erbguts. Nach 13 Jahren Arbeit ist das menschliche Erbgut mit hoher Genauigkeit vollständig entziffert und im Internet veröffentlicht. Regierungschefs würdigen heute das Ereignis mit einer gemeinsamen Erklärung. Drei deutsche Institute sind seit 1995 beteiligt. Wissenschaftler des internationalen Sequenzierkonsortiums des Humangenomprojekts verkünden heute in Washington, D.C., die erfolgreiche Vollendung der Entzifferung des menschlichen Genoms. 99 % der genetische Information tragenden Bereiche des menschlichen Erbgutes liegen in einer Genauigkeit von 99,99 % (maximal 1 Fehler in 10.000 Buchstaben) vor. Das gesamte menschlichen Genom umfasst 3,2 Milliarden Buchstaben. "Die öffentlich finanzierten Forscher des internationalen Humangenomprojektes haben die endgültige Version der Abfolge aller rund drei Milliarden Bausteine des Erbgutes in ihren Datenbanken gespeichert", sagte Helmut Blöcker, Koordinator des Deutschen Humangenomprojekts. Das verbleibende Prozent sind Bereiche, die mit heutigen Technologien nicht zugänglich sind. Damit verbleiben im Genom 400 kleinere, genau definierte Lücken, die erst in der Zukunft aufgelöst werden können. In einer gemeinsamen Erklärung werden die sechs Regierungschefs der am Sequenzierkonsortium beteiligten Nationen die historische Bedeutung der Sequenzanalyse des menschlichen Genoms würdigen. "Diese genetische Sequenz bietet die Grundvoraussetzung uns selbst zu verstehen; aus ihr wird sich ein revolutionärer Prozess in den biomedizinischen Wissenschaften zur Gesundheit und dem Wohlergehen der gesamten Menschheit ableiten. Somit gehen wir heute einen wichtigen Schritt weiter in die Manifestierung einer gesünderen Zukunft für alle Menschen auf dieser Welt, denen das menschliche Genom ein gemeinsames Erbe ist.", heißt es in der Erklärung. Vom Beginn des Projektes an war es die Maxime des Humangenomprojektes alle Daten und Ressourcen, die generiert wurden, einer breiten Öffentlichkeit frei zugänglich zu machen. Alle erzeugten Sequenzdaten sind daher unverzüglich in die öffentlichen Datenbanken eingeben worden und sind ohne Restriktionen von jedermann zu nutzen. Im Internet lässt sich die Sequenz des menschlichen Genoms und andere verfügbare Information einsehen. Nach 13 Jahren endet damit das 1990 in den USA gestartete ehrgeizigste Projekte in den Biowissenschaften zwei Jahre früher als geplant. An der Sequenzanalyse waren 20 Forschungsinstitute aus den Ländern USA, Großbritannien, Japan, Frankreich, Deutschland und China beteiligt. Mit großem Koordinierungsaufwand wurde sichergestellt, dass keine Region des Genoms übersehen und mögliche Doppelarbeit minimiert wird. Etwa 1.000 Wissenschaftler arbeiteten weltweit an dem Projekt. Deutschland beteiligt sich seit 1995 am internationalen Humangenomprojekt und ist mit drei Sequenzierzentren (Jena, Berlin, Braunschweig) vertreten. Im Rahmen des Deutschen Humangenomprojekts wurde die Sequenzanalyse mit 20,2 Mio. Euro gefördert. Die deutschen Wissenschaftler haben zur vollständigen Sequenz Daten von den Chromosomen 2, 3, 7, 8, 9, 17, 21 sowie X beigetragen. Insgesamt haben die drei deutschen Zentren 58,1 Millionen Basen (=> 1,8 %) sequenziert. Der größte deutsche Erfolg war die frühe vollständige Entzifferung des Chromosoms 21. Gemeinsam mit japanischen Kollegen wurde das zweite vollständige Chromosom im Mai 2000 in dem Wissenschaftsjournal 'Nature' veröffentlicht. Die Vollendung der Sequenzanalyse des internationalen Konsortiums fällt zusammen mit den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Strukturaufklärung der DNA durch James Watson und Francis Crick. Am 25. April 1953 veröffentlichten die beiden Wissenschaftler ihre bahnbrechende Arbeit in 'Nature' und leiteten damit das Zeitalter der Molekularbiologie ein. Auch wenn die Sequenzanalyse des menschlichen Genoms zweifellos das erste Hauptziel des Humangenomprojekts darstellt, können schon heute weitere wissenschaftliche Ergebnisse der mehr als zehnjährigen Arbeit gewürdigt werden. Dazu gehören die zu Beginn des Humangenomprojektes erstellten genetischen und physikalischen Chromosomenkarten, die in Arbeitsversionen vorliegenden Sequenzen der Modellorganismen Maus und Ratte, ein Katalog von 3 Millionen genetischer Variationen (sogenannter SNP's) im menschlichen Genom sowie eine Sammlung sogenannter cDNA-Klone, die etwa 70 % der in Mensch und Maus bekannten Gene repräsentieren. Erst die gemeinsame Auswertung aller dieser Daten versetzt uns in die Lage, die verschlüsselten Informationen zu verstehen. Weitere große internationale Projekte sind daher in Vorbereitung, um den Schatz, den uns die Sequenz des menschlichen Genoms bereitstellt, auch wirklich auszuschöpfen. So sollen in den nächsten Jahren weitere Modellorganismen wie Schimpanse, Huhn, Rind, Hund sowie Honigbiene sequenziert werden. Mit dem HapMap-Project, das im Herbst 2002 gestartet wurde, ist die Erstellung der nächsten Generation von Chromosomenkarten geplant, die eine Identifizierung von krankheitsrelevanten Genen beschleunigen wird. Auch deutsche Wissenschaftler werden an diesen neuen großen Projekten mitarbeiten, so beispielsweise bei der Sequenzierung des Schimpansengenoms und bei der Analyse von cDNA-Klonen. Zunächst aber soll in einem großangelegten, vorwiegend bioinformatischen, Projekt die gesamte verfügbare Information über die Chromosomen, Gene und Genprodukte einfach und effizient nutzbar gemacht werden. "Das Genomprojekt ist erst dann wirklich am Ziel, wenn wir in der Lage sind, von der DNA Sequenz alle wichtigen Eigenschaften des Menschen zu berechnen", sagt Prof. Hans Lehrach, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik und Mitinitiator des Humangenomprojektes, betont damit die Wichtigkeit der Bioinformatik und der freien Verfügbarkeit der Sequenzdaten. Ziel aller dieser Anstrengungen bleibt das Verstehen von Krankheiten, vor allem der gesellschaftlich relevanten komplexen wie z. B. Krebs oder Diabetes. Mit Hilfe der Genomforschung werden in Zukunft neue Therapien und Medikamente möglich sein. Nicht zuletzt auf Basis der Arbeitsversion des menschlichen Genoms stieg die Zahl der als krankheitsrelevant identifizierten Gene in den vergangenen Jahren kontinuierlich auf 1500 bis heute an.

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