Wie das Immunsystem von harmlosen Partikeln lernt

Forschende der Uni Bonn zeigen, wie ungefährliche winzige Teilchen die Immunantwort stärken

01.05.2024
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Symbolbild

Unsere Lunge ist täglich den unterschiedlichsten Partikeln ausgesetzt – ungefährlichen genauso wie krankmachenden. Mit jedem Erreger passt das Immunsystem seine Antwort an. Selbst harmlose Partikel tragen dazu bei, die Immunantwort zu verbessern – das haben nun Forschende der Universität Bonn gezeigt. Die Ergebnisse wurden in Nature Immunology veröffentlicht.

Ein erwachsener Mensch atmet rund 12 Mal pro Minute ein und aus, saugt so kontinuierlich die lebenswichtige Atemluft in die Lunge. Und mit ihr die unterschiedlichsten Partikel: keimfreie, ungefährliche Organismen, genauso wie Pilzsporen und krankmachende Bakterien und Viren. „Ob in öffentlichen Verkehrsmitteln, wo Menschen husten, oder Räumen mit Klimaanlagen, wo Pilzsporen durch die Luft fliegen, die Lunge ist konstant mit Einflüssen aus der Umwelt konfrontiert“, sagt Prof. Andreas Schlitzer, Leiter der Arbeitsgruppe Quantitative Systembiologie des Life & Medical Sciences-Instituts (LIMES) der Universität Bonn. „Das ist eine lebenslange Herausforderung für das Immunsystem der Lunge. Es muss sich auf immer neue Anforderungen einstellen, harmlose von gefährlichen Partikeln unterscheiden und entsprechend reagieren.“

Die dafür zuständigen Makrophagen, Zellen des angeborenen Immunsystems, verstehen ihren Job aber: Die sogenannten Fresszellen erkennen krankmachende Partikel, zerstören sie, in der Regel, zuverlässig und speichern die Angreifer im Gedächtnis des Immunsystems ab, um beim nächsten Mal noch besser reagieren zu können. Aber was machen die Makrophagen mit Informationen über ungefährliche Partikel? Das hat die Arbeitsgruppe um Andreas Schlitzer, der auch Mitglied im Exzellenzcluster Immunosensation2 sowie im Transdisziplinären Forschungsbereich „Life and Health“ der Universität Bonn ist, untersucht. „Die Makrophagen könnten ungefährliche Partikel einfach vergessen, weil sie uns keinen Schaden zufügen“, erklärt Schlitzer. „Wir vermuteten aber, dass sie die Informationen trotzdem abspeichern und dieses Wissen in darauffolgende Immunantworten integrieren.“

Pilzsporen verändern die Immunantwort

Um ihre These zu prüfen, ließen die Forschenden Mäuse Beta-Glucan einatmen, ein Zucker in der Zellwand des Pilzes Candida. „Diesen Pilzsporen sind wir in unserem Leben ständig ausgesetzt. In besonders hoher Konzentration kommen sie beispielsweise in Räumen mit Klimaanlagen vor, wo sie ideale Lebensbedingungen vorfinden“, sagt Schlitzer. Für gesunde Menschen ungefährlich; bei Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist, etwa durch Krankheiten wie HIV, kann der Pilz jedoch schwerwiegende Erkrankungen auslösen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten nun mittels hochdimensionaler Einzelzelltechnologien wie das Immunsystem der Mäuse auf krankmachende Erreger reagierte. Der Befund: Mäuse, die dem Beta-Glucan ausgesetzt wurden und anschließend mit Legionellen infiziert wurden, reagierten anders auf die krankmachenden Erreger als Mäuse, die den Pilzbestandteil nicht eingeatmet hatten. „Die Mäuse waren resistent gegen die Legionellen-Infektion bzw. konnten durch die veränderte Immunantwort besser heilen“, fasst Schlitzer zusammen.

Um die Immunantwort anzupassen, nachdem sie mit ungefährlichen Partikeln in Kontakt gekommen sind, nutzen Makrophagen bestimmte Proteine, die auch bei Krankheiten wie Alzheimer oder Adipositas eine Rolle spielen. Schlitzer: „Wenn es uns gelingt, Makrophagen spezifisch zu modulieren, könnten sie als Stellschrauben für Therapieansätze bei diesen Krankheiten dienen.“ Daran wird seine Arbeitsgruppe nun zukünftig forschen.

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