ETH-Forscher eröffnen neue Perspektiven für Biotechnologie

29.11.2002
Wissenschaftlern am Institut für Mikrobiologie der ETH Zürich gelang es zusammen mit zwei englischen Forschungslabors, biochemische Reaktionen durch Bakterien ausführen zu lassen, die bisher nur Zellen höherer Lebewesen vorbehalten waren. Dadurch eröffnen sich interessante, völlig neue Perspektiven für die Herstellung von medizinisch wirksamen Proteinen. Die neuste Ausgabe von Science berichtet über diesen Durchbruch in der mikrobiologischen Forschung. Stoffwechsel und biochemische Reaktionen sind grundsätzlich in allen Lebewesen gleich oder zumindest vergleichbar. Der genetische Code aller Lebewesen, d.h. von Bakterien, Pflanzen, Pilzen und Tieren ist aus demselben Set an Bausteinen aufgebaut. Menschliche Gene werden deshalb auch von Bakterien korrekt in die entsprechenden Proteine übersetzt. Nach der Synthese des "Rohproteins" hören die Gemeinsamkeiten zwischen Bakterien und höheren Lebewesen (so genannte Eukaryonten) aber auf, den Eukaryonten bearbeiten viele der Rohproteine im Gegensatz zu den Bakterien noch nach. Diese Nachbearbeitung wird in der Fachsprache als "posttranslationale Modifikation" bezeichnet. Damit ist gemeint, dass Rohproteine von den Zellen zurechtgeschnitten oder biochemisch verändert werden. Besonders häufig ist die so genannte N-gebundene Verknüpfung von Proteinen mit Zuckerbausteinen. Und genau das können Bakterien nicht, glaubte man bis vor kurzem. Auch Bakterien können Proteine modifizieren Zur Überraschung vieler Wissenschaftler wurden in den letzten Jahren Forschungsresultate bekannt, wonach es einigen wenigen Bakterienarten gelingt, Rohproteine zu modifizieren. Die ETH-Forscher konnten nun zusammen mit ihren englischen Kollegen zeigen, dass Campylobacter-Bakterien - wie die höheren Lebewesen - Proteine mit N-gebunden Zuckern ausstatten können. Campylobacter-Bakterien sind jedoch Erreger von Durchfall und deshalb für die Forschung und deren biotechnologischen Anwendung nur schwer zugänglich; Mikrobiologen und Biotechnologen bevorzugen Escherichia coli (E. coli). Den Forschern ist es nun aber gelungen, die Eigenschaft der posttranslationalen Modifikation, d.h. die Übertragung von Zuckerresten auf Proteine, von Campylobacter auf E. coli zu transferieren. Solche E. coli Zellen können somit ebenfalls Proteine mit N-gebundenen Zuckern herstellen. Kostengünstigere Herstellung von Medikamenten Will man medizinisch wirksame Proteine in ihrer Wirkung erforschen oder gar als Medikamente einsetzen, braucht man davon grössere Mengen. Bisher wurden Proteine, die nur nach posttranslationaler Modifikation funktionsfähig sind, mit Hilfe von tierischen, menschlichen oder Hefe-Zellen hergestellt. Bakterien sind aber grundsätzlich wesentlich bessere und weniger aufwändige Produzenten, d.h. die Produkte wären einfacher und billiger herzustellen. Die Arbeit der ETH-Forscher eröffnet nun die Perspektive, medizinisch wirksame Proteine, beispielsweise viele Hormone oder immunologisch wirksame Stoffe, billiger herzustellen. Davon profitieren sowohl die medizinische und biologische Grundlagenforschung wie auch viele Biotechfirmen. Doch bis es soweit ist, wird noch intensive Forschung nötig sein.

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