Wissenschaftler entschlüsseln, wie Antikörper funktionieren

29.02.2012 - Deutschland

Antikörper sind für den Menschen lebensnotwendig: Sie vernichten Krankheitserreger und können deswegen in der Medizin zum Beispiel bei Therapien gegen Krebs eingesetzt werden. Doch ihre Zerstörungsmechanismen richten sich manchmal auch gegen den eigenen Körper. Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose oder Rheumatoide Arthritis sind die Folge. Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Genetik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben jetzt herausgefunden, wie Antikörper funktionieren und was sie steuert. Ihre Erkenntnisse könnten zum einen die Grundlage für die Entwicklung von noch gezielteren Therapien zur Bekämpfung von Krebs bilden. Zum anderen bieten sie neue Ansätze für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen.

Dr. Peter Sondermann

Abgebildet ist ein Ausschnitt der Kristallstruktur eines Antikörper-Moleküls. Man sieht die Interaktion eines Antikörpermoleküls (blau) mit einem Fc-Rezeptor (grün). Fc-Rezeptoren sind Eiweißmoleküle auf der Oberfläche von Monozyten, welche für die Funktion von Antikörpern essentiell sind.

„Antikörper sind Eiweißmoleküle, und wir unterscheiden grundsätzlich zwei Arten“, erläutert Prof. Dr. Falk Nimmerjahn, Inhaber des Lehrstuhls für Genetik an der FAU, der das Forscherteam leitet. „Auf der einen Seite gibt es die Antikörper mit für uns positiven Eigenschaften, die zum Beispiel in der Krebstherapie eingesetzt werden. Zum anderen gibt es die so genannten Auto-Antikörper, die den eigenen Körper angreifen und Krankheiten wie systemischen Lupus erythematodes auslösen.“ Eine der wichtigsten Erkenntnisse der vergangenen Jahre war, dass beide Formen von Antikörpern von denselben molekularen und zellulären Mechanismen gesteuert werden.

Der menschliche Körper selbst ist in der Lage Antikörper zu produzieren, die jede beliebige Zellform – zum Beispiel Tumorzellen – zerstören können. Die moderne Medizin macht sich diese Fähigkeit des Körpers bereits heute zunutze: Experten können die Zellen, die die Antikörper produzieren, isolieren und in Zellkulturen halten. Dort produzieren die Zellen dann weiter Antikörper, die von Medizinern entnommen und anschließend über eine Infusion oder Injektion zurück in den Körper des Patienten geleitet werden, wo sie ihre therapeutische Wirkung entfalten. Aufgrund ihrer geringen Größe wandern die Antikörper automatisch in nahezu jedes Gewebe. Für die Ärzte hat das den Vorteil, dass sie die Antikörper nicht direkt in einen oder mehrere Tumore spritzen müssen.

Unklar war bislang, wie die Antikörper es schaffen, fast alle Zellformen zu vernichten. In der Forschung galt bislang die These, dass sie mit sogenannten Fresszellen oder „natürlichen Killerzellen“ interagieren. Doch Dr. Markus Biburger und Susanne Aschermann vom Lehrstuhl für Genetik wiesen nach, dass für die Funktion der Antikörper eine ganz andere Zellpopulation verantwortlich ist: die sogenannten Monozyten. Wenn sie am Modell die Monozyten entfernt hatten, konnten Antikörper weder eine therapeutische Wirkung gegen Krebs entfalten, noch konnten Auto-Antikörper die eigenen Zellen angreifen. „Unsere Erkenntnisse liefern zahlreiche Ansätze, um Tumortherapien zu optimieren und Autoimmunerkrankungen besser bekämpfen zu können“, sagt Prof. Nimmerjahn. „Somit haben wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.“

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