Ein Pilz macht es sich bequem

Aspergillus fumigatus passt sich an das Leben im Menschen an – und formt dessen Lungen-Mikrobiom

14.08.2023 - Deutschland

Aspergillus fumigatus-Stämme, die Menschen infizieren, haben einen deutlich veränderten Stoffwechsel im Vergleich zu anderen Stämmen in der Umwelt. Gleichzeitig führt eine Infektion mit dem Pilz offenbar zu einer Veränderung des menschlichen Lungenmikrobioms. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) anhand von Genom-Daten von etwa 250 Pilz-Stämmen und Lungenmikrobiom-Daten von 40 Patienten sowie darauf aufbauenden Machine-Learning-Modellen.

Farida Tey & Mohammad Mirhakkak/Leibniz-HKI

Aspergillus-fumigatus-Sporen können eingeatmet werden und die menschliche Lunge besiedeln. Bioinformatik-Tools helfen zu verstehen, wie der Pilz das Mikrobiom der Lunge zu seinem eigenen Vorteil gestaltet.

Der Pilz Aspergillus fumigatus ist in der Umwelt weit verbreitet und erfüllt dort wichtige ökologische Funktionen. Gleichzeitig ist er aber ein sogenannter opportunistischer Krankheitserreger des Menschen. Das bedeutet, dass er Menschen mit einem geschwächten Immunsystem infizieren und lebensbedrohliche Erkrankungen wie die Aspergillose auslösen kann. Die Behandlung ist aufgrund der geringen Anzahl an Medikamenten gegen Pilzinfektionen schwierig.

Wie Forschende des Leibniz-HKI herausgefunden haben, unterscheiden sich die Pilzstämme, die in der Umwelt vorkommen und die klinischen Stämme aus Patientenproben jedoch deutlich. In einer vorherigen Studie stellte das Team bereits fest, dass die Erbinformationen von etwa 250 untersuchten Aspergillus fumigatus-Stämmen unterschiedlicher Herkunft nur zu etwa 70 Prozent übereinstimmten. Zum Vergleich: Die Erbinformationen von Mensch und Schwein sind zu etwa 95 Prozent identisch.

„In der aktuellen Studie haben wir uns darauf konzentriert, welche Auswirkungen diese genomischen Unterschiede auf den Pilzstoffwechsel in Gegenwart eines komplexen Lungenmikrobioms haben“, so Studienleiter Gianni Panagiotou. Er leitet die Abteilung Microbiome Dynamics am Leibniz-HKI und hat die gleichnamige Professur an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne. „Wenn wir die Faktoren verstehen, die das Pilzwachstum und damit das Überleben von A. fumigatus in verschiedenen Lebensräumen bestimmen, könnte das die Entwicklung von prophylaktischen oder therapeutischen Strategien zur Kontrolle des Pilzerregers entscheidend vorantreiben.“

Das Forschungsteam hat jetzt auf der Grundlage der DNA-Daten und des bisherigen Wissensstands Computermodelle entwickelt, die die Stoffwechselreaktionen und -produkte für die 250 verschiedenen Stämme vorhersagen können. „Dabei haben wir festgestellt, dass sich die klinischen Stämme deutlich von den Umweltstämmen unterscheiden, vor allem im Bereich der Aminosäurebiosynthese“, sagt Mohammad Mirhakkak, einer der beiden Erstautoren.

Das so entwickelte Modell nutzten Mirhakkak und sein Co-Erstautor Xiuqiang Chen anschließend, um Proben von 40 Patienten mit Mukoviszidose vor und nach einer bestätigten Aspergillus fumigatus-Infektion zu untersuchen. Mithilfe von Metagenom-Daten aus den Proben konnten sie die Zusammensetzung des Lungenmikrobioms vor und nach der Infektion entschlüsseln, das heißt welche Mikroorganismen in der Lunge des jeweiligen Patienten leben. „Mit diesen Daten haben wir unser Modell gefüttert und festgestellt, dass Aspergillus fumigatus das Lungenmikrobiom offenbar zu seinem Vorteil beeinflusst“, erklärt Chen. Selbst wenn die Forschenden sogenannte Knockouts simulierten – also Pilzstämme, die nicht eigenständig lebensfähig sind, weil bei ihnen bestimmte Stoffwechselwege ausgeschaltet wurden – überlebten sie dank der Hilfe des Lungenmikrobioms. Zumindest in der Computersimulation übernahmen dann andere Mikroorganismen die Produktion lebenswichtiger Stoffwechselprodukte.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir bei der Entwicklung neuer Medikamente zum einen die enorme Variabilität des Stoffwechsels von Aspergillus fumigatus im Auge behalten müssen und zum anderen aber auch das gesamte Mikrobiom im Blick haben müssen“, so Panagiotou.

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