Neue Erkenntnisse zum Enzym, das PET-Kunststoff zersetzt

Leipziger Wissenschaftler steigern Effizienz: Ausgründung einer Firma in Vorbereitung

13.04.2023 - Deutschland

Einer der meistverwendeten Kunststoffe weltweit trägt den chemischen Namen Polyethylenterephthalat, bekannt unter der Abkürzung "PET". Als mehrfach verwendbare PET-Getränkeflasche ist er im Alltag sehr präsent. Am Ende des Lebenszyklus des PET-haltigen Produktes stellt die umweltfreundliche Wiederverwendung der PET-Bestandteile durch die Aktivität von Enzymen eine ökonomisch und ökologisch interessante Alternative zur Verbrennung, Deponierung oder dem rein chemischen Recycling dar. Ein Forschungsteam der Universität Leipzig hat die Funktionsweise eines Enzyms, das PET in Hochleistung abbauen kann, verstanden und die Effizienz dieses Biokatalysators weiter gesteigert. Die Wissenschaftler berichten darüber im Fachmagazin "Nature Communications".

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Symbolbild

"Unser vorangegangener Artikel zur Entdeckung dieses Enzyms im Sommer 2021 hat bereits hohe Wellen geschlagen", sagt Dr. Christian Sonnendecker, der maßgeblich an der Erstveröffentlichung beteiligt war. "Diese hervorragende Teamarbeit avancierte zum erfolgreichsten Forschungsartikel, den es bislang im Journal ChemSusChem gegeben hat." 

Um die Funktionsweise des Biokatalysators zu verstehen, wurde zunächst die Raumstruktur des Enzyms von Erstautor Konstantin Richter in seiner Doktorarbeit mit Hilfe von Kristallen aufgeklärt. "Wir haben dabei gewissermaßen an unsere Bestimmung der ersten Struktur eines PET abbauenden Enzymes angeknüpft", sagt Prof. Dr. Norbert Sträter, der die kristallographischen Untersuchungen leitet. "Das war vor knapp zehn Jahren, als Prof. Dr. Wolfgang Zimmermann diese biotechnologische Enzym-Forschung in Leipzig etabliert hat. Damals hatte das noch kaum jemand auf dem Schirm." 

Teamarbeit zur weiteren Erforschung des neu entdeckten Enzyms

Um den statischen Kristallstrukturen die Geheimnisse der hocheffizienten Reaktionsbeschleunigung von Enzym PHL7 zu entlocken, hat Christian Sonnendecker weitere Experten für seine Forschung begeistert. Die Arbeitsgruppen um Georg Künze und Christian Wiebeler setzten Computersimulationen der Proteindynamik sowie quantenchemische Berechnungen ein, um den Reaktionsmechanismus und vor allem die Beiträge einzelner Aminosäuren in der Bindung des PET-Polymers zu verstehen und bessere Enzyme zu entwerfen. "Diese Vorhersagen und Berechnungen sind extrem hilfreich, um ein Enzym rational zu verbessern", erklärt Sonnendecker, "aber am Ende entscheidet natürlich das Experiment."

Hier zeigte sich eine sehr gute Übereinstimmung zwischen den Experimentaldaten und den theoretischen Berechnungen. "Wir haben die vorgeschlagenen Veränderungen des Enzyms gentechnisch realisiert und konnten sowohl die Aktivität als auch die Stabilität weiter steigern, was für technische Anwendungen enorm wichtig ist." Eine zu starke Bindung des Enzyms an das polymere Kunststoffsubstrat sei dabei kontraproduktiv, erläutert der Biochemiker mit Blick auf den vorgeschlagenen Sliding-Mechanismus, wonach ein Bindungskanal das Substrat zum aktiven Zentrum führt. "Manchmal ist weniger eben mehr", so Sonnendecker.

Einsatz künstlicher Intelligenz

Auf die Frage, wie es denn mit der Forschung weitergehe, erläutert Sonnendecker seine Pläne in dem interdisziplinären Forschungsnetzwerk: "Mit neu entwickelten Methoden der Kernresonanz-Spektroskopie wollen wir mit dem Experten Prof. Dr. Jörg Matysik die Anbindung des Enzyms an das polymere Substrat untersuchen. Damit sind wir mit den Experimenten näher denn je an den realen Prozessen der Wechselwirkung zwischen Protein und Kunststoff."

Weiterhin wird bereits an der dritten Generation des Enzyms gearbeitet, wobei das rationale Design durch den Menschen um maschinelle Vorhersagen mittels künstlicher Intelligenz (KI) erweitert wird. "Hierfür stehen uns vollkommen neuartige Screening-Methoden zur Verfügung, wie die kürzlich von Ronny Frank entwickelte sogenannte Impedanzspektroskopie-Plattform, welche der KI hochqualitative Trainingsdaten zuspielt", erläutert Sonnendecker.

Die Zukunft sieht der Nachwuchswissenschaftler des Instituts für Analytische Chemie der Universität Leipzig jedoch vor allem in Biokunststoffen, die zum einen auf nachwachsenden statt auf erdölbasierten Rohstoffen beruhen und zum anderen von vornherein leichter biologisch abbaubar sind. Zur technischen Umsetzung seiner Visionen ist die Ausgründung einer Firma in Vorbereitung. "Damit etablieren wir mittelfristig eine technologische Alternative zur fossil-dominierten Plastikwirtschaft und schaffen künstliche CO2-Speicher", sagt Sonnendecker und sieht "eine grüne Zukunft mit Blick auf die pflanzlichen Ausgangsstoffe".

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