Bonn (
dpa) - Das Rennen um eine der in nächster Zukunft weltweit wichtigsten Forschungsanlagen hat begonnen. Bewerber aus mehreren europäischen Ländern wollen mit der «
European Spallation Source» (ESS) die leistungsfähigste Anlage der Erde zur Gewinnung von
Neutronen errichten. Mit im Spiel um das 1,5 Milliarden Euro teure Forschungsprojekt ist auch
Deutschland mit dem
Forschungszentrum Jülich und einer Gemeinschaftsbewerbung der beiden Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt. Das Projekt steht im Mittelpunkt einer Neutronenforschungskonferenz am Donnerstag und Freitag in Bonn, an der sich rund 800 Wissenschaftler, Politiker und Unternehmer beteiligen.
Weltweit gewinnt die Neutronenforschung immer mehr an Bedeutung auf so unterschiedlichen Feldern wie dem Automobil- und Flugzeugbau, der Computer- und
Biotechnologie sowie der
Pharmaindustrie. Wegen ihrer besonderen Eigenschaften sind die Neutronen, elektrisch neutrale Atomkern-
Bausteine, zur Durchleuchtung von Proben in der
Materialforschung sowie in
Physik,
Chemie,
Biologie und
Medizin heiß begehrt. Sie geben den Forschern wichtige Informationen über den atomaren Aufbau und andere Stoffeigenschaften und damit auch zur Entwicklung neuer Materialien.
Etwa 5000 Wissenschaftler setzen nach Angaben des Forschungszentrums Jülich europaweit Neutronen ein, um die unterschiedlichsten Materialien zu durchleuchten und zu optimieren, mehr als 800 allein in
Deutschland. Erzeugt werden die
Teilchen entweder in
Kernreaktoren oder in so genannten Spallationsanlagen, von denen bislang weltweit fünf existieren. Weitere leistungsfähige Spallationsquellen sind in
Japan und den USA im Bau.
Darin werden die Neutronen nicht durch
Kernspaltung wie in einem Reaktor gewonnen, sondern durch eine
Art «Abdampfen» - ein Verfahren, das weitaus effizienter und gefahrloser sei als die herkömmliche Kernspaltung in Atomreaktoren, erläutert der Vorsitzende des ESS Council, Peter Tindemans. Mit fast auf
Lichtgeschwindigkeit beschleunigten Kernen von
Wasserstoff-Atomen (
Protonen) wird ein Metall-Ziel («Target») beschossen und damit dessen
Atomkerne energetisch aufgeheizt. Um abzukühlen, «dampfen» die Atomkerne Neutronen ab. Mit einer Leistung von je fünf Megawatt an zwei Target- Stationen soll die ESS die im Bau befindlichen
Neutronenquellen in Japan und den USA um das Zehnfache übertreffen und die Führungsposition in der Neutronenforschung sichern.
Auf nationaler Ebene wird die Bundesregierung das Rennen um den ESS-
Standort voraussichtlich erst nach der Wahl entscheiden. Ende 2003 soll auf europäischer Ebene der Sieger ausgerufen werden. Außer Deutschland sind derzeit
Dänemark,
Schweden und Großbritannien im Rennen. Noch sei der Wettbewerb offen für weitere Bewerber, betont Tindemans. Laut einer Studie der Universität Köln über den ESS- Standort Jülich würden während der Bauphase 700 bis 900 Arbeitsplätze geschaffen. Darüber hinaus prognostiziert die Untersuchung rund 600 direkte und 1500 indirekte Arbeitsplätze bei jährlichen Betriebsausgaben von etwa 150 Millionen Euro.
(Internet: ESS-
Homepage: http://www.ess-europe.de) dpa hs yynwk tim