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IgA-Nephritis



Die IgA-Nephritis oder Morbus Berger ist die häufigste entzündliche Erkrankung unbekannter Ursache der Nierenkörperchen (Glomeruli; =idiopathische Glomerulonephritis). Kennzeichnend ist die Ablagerung von Immunglobulin A im Zwischengewebe (Mesangium) des Nierenkörperchens. Wichtigstes Symptom ist der Nachweis von roten Blutkörperchen im Urin, ohne dass Beschwerden bestehen (asymptomatische Hämaturie). Meist ist der Verlauf gutartig, bei etwa jedem fünften Betroffenen kommt es aber zu einem fortschreitenden Nierenfunktionsverlust. Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung und reicht von Verlaufskontrollen über Blutdrucksenkung mit ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten bis zur immunsuppressiven Therapie.[1][2][3]

Inhaltsverzeichnis

Symptome

Klinische Symptome der IgA-Nephritis sind zeitweilig auftretende (intermittierende), schmerzlose Makrohämaturie (sichtbares Blut im Urin) nach unspezifischen Infekten der oberen Atemwege, nach Magen-Darm-Infekten oder einer Lungenentzündung. Es kann aber auch eine konstante Mikrohämaturie (nicht sichtbares, aber laborchemisch nachweisbares Blut im Urin) bestehen. Fakultativ kann es zu einer erhöhten Eiweiß-Ausscheidung im Urin (Proteinurie) kommen. Ein Teil der Patienten entwickelt zusätzlich einen Bluthochdruck (arterielle Hypertonie). Im Urin lassen sich Erythrozytenzylinder sowie dysmorphe (verformte) Erythrozyten nachweisen.

Epidemiologie und Verlauf

Die IgA-Nephritis ist weltweit die häufigste entzündliche Erkrankung der Nierenkörperchen (Glomerulonephritis). Männer sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Die höchste Anzahl der Neuerkrankungen (Inzidenz) wird in Japan und Korea beschrieben. In Japan sind 50% aller Neuerkrankungen an Glomerulonephritis und 40% aller Fälle an dialysepflichtigem Nierenversagen auf eine IgA-Nephritis zurückzuführen. In Europa beträgt der Anteil der IgA-Nephritis an der Gesamtzahl der Glomerulonephritiden 30%, in den USA liegt der Anteil bei 10%. Diese Unterschiede sprechen dafür, dass bestimmte Populationen eine erhöhte erbliche (genetische) Veranlagung (Prädisposition) aufweisen, an einer IgA-Nephritis zu erkranken.

Die Prognose auf lange Zeit ist günstig. Nur etwa 25-30% der Patienten entwickelt innerhalb von 10 Jahren ein dialysepflichtiges Nierenversagen. Risikofaktoren für einen ungünstigen (progredienten) Verlauf sind Bluthochdruck, Urin-Eiweiß-Ausscheidung (Proteinurie) über 1g/24 h und ständiger Nachweis geringer Mengen von nicht sichtbaren roten Blutkörperchen (Erythrozyten) im Urin (Mikrohämaturie).

Sichtbares Blut im Urin (Makrohämaturie) in Verbindung mit Infekten weist dagegen auf einen günstigen Verlauf hin.

Bei der feingeweblichen (histologische) Untersuchung einer Gewebsprobe der Niere weisen bestimmte Befunde auf eine schlechte Prognose hin:

Die Häufigkeit der proliferativen Glomerulonephritis liegt in unterschiedlichen Studien zwischen 8 und 36% der Biopsien. Bei der Interpretation dieser Daten ist zu berücksichtigen, dass üblicherweise nur dann eine Biopsie durchgeführt wird, wenn die klinischen Befunde auf eine ungünstige Prognose der Erkrankung hinweisen.

Die Übereinstimmung zwischen klinischen und feingeweblichen Prognose-Faktoren ist oftmals nur gering.[4]

Pathogenese

Polymeres IgA

Bei der IgA-Nephritis werden Immunkomplexe, die dimeres und polymeres IgA enthalten, im Mesangium des Nierenkörperchens abgelagert. Die Ablagerung dieser Immunkomplexe führt zu einer entzündlichen Reaktion mit Einwanderung von neutrophilen Granulozytern und Proliferation von Mesangium-Zellen. Die Ursache der Immunkomplex-Ablagerung in den Nierenkörperchen ist nicht bekannt. Im Serum der meisten Patienten mit IgA-Nephritis werden erhöhte Spiegel von Immunglobulin A der Unterklasse IgA1 und IgA1-haltige Immunkomplexe gefunden. Der Nachweis von J-Ketten in den Nierenkörperchen weist darauf hin, dass polymeres IgA abgelagert wird. Es gibt aber keine Beziehung zwischen Menge an polymerem IgA in den Glomeruli und der Schwere der Erkrankung. Wird eine Niere eines Patienten mit IgA-Nephritis in einen Patienten ohne IgA-Nephritis transplantiert, lösen sich die Immunkomplexe langsam auf.

Abweichende Glykosylierung

Polymeres IgA bindet stärker an Mesangium-Zellen, wenn das Molekül weniger kovalent gebundene Kohlehydratgruppen enthält (verminderte Glykosylierung). Insbesondere eine verminderte O-Glykosylierung fördert die Bindung an Mesangiumzellen. Im Serum von Patienten mit IgA-Nephritis ist IgA1 mit einem vermindertem Anteil an N-Acetylgalactosamin und N-Acetylneuraminsäure nachweisbar, insbesondere bei Patienten mit schwereren Krankheitsverläufen.

Anti-IgA1 Autoantikörper der Klasse IgG

Die verminderte Glykosylierung des IgA-Moleküls führt dazu, dass es vom Immunsystem als körperfremd erkannt wird, es werden Autoantikörper der Klasse IgG gebildet. Die IgG-Autoantikörper binden an die IgA-haltigen Immunkomplexe im Mesangium des Nierenkörperchens und führen dort zur Produktion proinflammatorischer (= die Entzündungsreaktion fördernder) Zytokine, zur Einwanderung von Entzündungszellen und zur Entzündungsreaktion. Zudem ist polymeres IgA in der Lage, den alternativen Weg des Komplementsystems zu aktivieren und so die die Entzündungsreaktion weiter zu steigern.[4]

Diagnose

Klinisches Bild, Urinbefund und eventuelle Proteinurie geben Hinweise. Der IgA-Spiegel im Serum ist gelegentlich erhöht, aber nicht beweisend für das Vorliegen der Erkrankung.

Mit der Nierenbiopsie kann die Diagnose gesichert werden. Histologisch zeigen sich im Nierenkörperchen Veränderungen des Mesangiums mit Matrixvermehrung, immunhistochemischem Nachweis von IgA-Ablagerungen und Proliferation von Mesangium-Zellen. Hinweise auf schwere Schäden des Nierenkörperchens sind Zellwachstum ausserhalb des Gefäßknäuels (extrakapilläre Proliferation) oder innerhalb der Kapillarschlingen (endokapilläre Proliferation), sowie abgestorbene Zellen (Nekrosen).

Der Verlauf der IgA-Nephritis ist im allgemeinen gutartig, wenn als einziges Krankheitssymptom Blut im Urin (Hämaturie) nachweisbar ist. Eine spezielle Therapie ist dann nicht erforderlich. Eine Nierenbiopsie wird daher normalerweise nur durchgeführt, wenn Hinweise auf einen schwereren Krankheitsverlauf vorliegen wie Urin-Eiweiß-Ausscheidung (Proteinurie) über 0,5-1,0 g/24 h, erhöhtes Serum-Kreatinin als Hinweis auf eine Nierenfunktionseinschränkung oder Bluthochdruck.

Differenzialdiagnose

Weitere glomeruläre Erkrankungen, die mit Blut im Urin (Hämaturie) einhergehen, sind

  • Alport-Syndrom,
  • Postinfektiöse Glomerulonephritis und
  • Syndrom der dünnen Basalmembran (thin basement membrane nephropathy).

Nicht glomeruläre Ursachen einer Hämaturie sind:

Im Alter über 40 Jahren müssen insbesondere Krebserkrankungen der ableitenden Harnwege ausgeschlossen werden:

In höherem Lebensalter kann auch die

zu einer Hämaturie führen.

Klassifikation

Die IgA-Nephritis kann nach dem Schweregrad der feingeweblichen (histologischen) Veränderungen eingeteilt werden:

  • Klasse I: Keine oder nur minimale Vermehrung von Mesangium-Zellen, keine Bindegewebsvermehrung (Sklerose)
  • Klasse II: Fokale und segmentale Sklerose ohne aktives Zellwachstum (Proliferation).
  • Klasse III: Fokal proliferative Glomerulonephritis.
  • Klasse IV: Diffus proliferative Glomerulonephritis.
  • Klasse V: Mehr als 40% der Nierenkörperchen (Glomeruli) sind vernarbt (sklerotisch) oder mehr als 40% der Nierenkanälchen (Tubuli) sind zerstört (atrophisch)[5]

Therapie

Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung. Bei isolierter Mikro- oder Makrohämaturie ist keine Therapie nötig. Bei Bluthochdruck, Proteinurie unter 1 g/24 h und milden histologischen Veränderungen werden ACE-Hemmer[6] und Angiotensin-Rezeptor-Blocker verordnet. Dabei werden Blutdruckwerte unter 125/85 mmHg angestrebt. Bei Proteinurie über 1 g/d wird insbesondere in der amerikanischen Literatur ein Versuch mit Omega-3-Fettsäuren empfohlen. Alternativ können Glucocorticoide eingesetzt werden. Bei nephrotischer Proteinurie und rasch progressivem Nierenfunktionsverlust mit histologischem Nachweis proliferativer Läsionen werden Glucocortikoide mit Azathioprin oder Cyclophosphamid kombiniert.[4]

Quellenangaben

  1. Thaiss F, Stahl R A K : „IgA-Nephropathie: Klinik, Pathogenese und Therapie der häufigsten Glomerulonephritis“. Deutsches Ärzteblatt 2000; 97: s. 2708-2711  [Artikel]
  2. Donadio J V, Grande J P : „Medical Progress: IgA Nephropathy“. N Engl J Med 2002; 347: s. 738-748 [Abstract]
  3. Barratt J, Feehally J: „IgA Nephropathy“. J. Am. Soc. Nephrol. 2005; 16: s. 2088-2097  [Artikel]
  4. a b c James A. Tumlin et al.: „Idiopathic IgA Nephropathy: Pathogenesis, Histopathology, and Therapeutic Options“. Clin J Am Soc Nephrol 2007; 2: s. 1054-1061 [Abstract]
  5. Haas M.: „Histologic subclassification of IgA nephropathy: a clinicopathologic study of 244 cases.“. Am J Kidney Dis 1997; 29(6): s. 829-842 [Abstract]
  6. R. Coppo et al.: „IgACE: A Placebo-Controlled, Randomized Trial of Angiotensin-Converting Enzyme Inhibitors in Children and Young People with IgA Nephropathy and Moderate Proteinuria“. J Am Soc Nephrol 2007; 18: s. 1880-1888 [Abstract]
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Dieser Artikel basiert auf dem Artikel IgA-Nephritis aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
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