Darwin oder Schöpfer? - Richtungskampf um Bio-Unterricht in USA

19.07.2005

(dpa) Die Schulferien haben in den USA begonnen, und die Schüler genießen den Sommer. Eltern, Lehrer und Schulbehörden wälzen aber wichtige Entscheidungen. Im Bundesstaat Kansas soll vor dem neuen Schuljahr entschieden werden, ob Darwins Evolutionstheorie im Bio-Unterricht als Fakt oder als eine von mehreren Theorie über die Entstehung des Lebens unterrichtet werden soll. In 15 weiteren Bundesstaaten tobt die Debatte auch. Kritische Wissenschaftler sehen einen Generalangriff religiöser Fundamentalisten auf die Grundlagen des Biologie-Unterrichts.

Das neue Konzept heißt «intelligentes Design». Anhänger vermeiden das Fahrwasser religiöser Untertöne. Sie argumentieren, dass manche biologische Systeme zu komplex und kompliziert gebaut sind, als dass sie mit Darwin durch Mutationen und zufällige Entwicklungen erklärt werden können. Dahinter könne nur ein durchdachtes Design stecken. Mit dem Erstarken der religiösen Rechten unter Präsident George W. Bush ist das Thema in letzter Zeit richtig salonfähig geworden.

In Kansas hat die Schulbehörde im Mai in Anhörungen debattieren lassen, ob neben der Evolutions- auch Schöpfertheorien in staatlichen Schulen gelehrt werden sollen. In Arkansas tobt ein Kampf über Aufkleber auf Bio-Büchern, auf denen steht: «Die Evolution reicht nicht aus, um den Ursprung des Lebens zu erklären». In Georgia wehrt sich die Schulbehörde gegen die richterlich angeordnete Entfernung von Einlegekarten in Schulbüchern, auf denen steht: «Evolution ist eine Theorie, kein Fakt.» Eltern in Dover (Pennsylvania) ziehen im September vor Gericht, weil sie sich gegen den Beschluss wehren, «intelligentes Design» zu unterrichten.

«Seit der Veröffentlichung von (Darwins) "Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl" 1859 kämpfen die Gegner der Evolution vergeblich dagegen an», schreibt Kenneth Miller, Biologieprofessor an der Universität Colorado. «Die Design-Bewegung macht viel Lärm, versagt aber enttäuschenderweise an zwei Fronten: von der Wissenschaft wird sie zurückgewiesen, weil sie die Fakten ignoriert, und der Religion wird sie nicht gerecht, weil sie Gott vernachlässigt.»

Jetzt hat sich der Wiener Kardinal Christoph Schönborn in die amerikanische Debatte eingemischt. In einem Beitrag für die «New York Times» schrieb er: «Evolution im Sinne gemeinsamer Herkunft mag wahr sein, aber Evolution im neo-darwinistischen Sinn ein ungelenkter, ungeplanter Prozess von Zufallsvariation und natürlicher Selektion - ist es nicht.»

Schönborn bezeichnet die 1996 Aufsehen erregenden Äußerungen von Papst Johannes Paul II. zur Evolution als «ziemlich vage und unwichtig». Dabei wurden Johannes Pauls Worte («Heute geben neue Erkenntnisse dazu Anlass, in der Evolutionstheorie mehr als nur eine Hypothese zu sehen.») als Neubeginn eines offen Verhältnisses der katholischen Kirche zu den Naturwissenschaften gefeiert. Miller und zwei katholische US-Biologen haben schon an Papst Benedikt geschrieben und um Klärung gebeten.

Fundamentalistischen Christen kommt Schönborns Unterstützung gerade recht. Wer nicht in die Kirche gehe, höre nie etwas über die wahren Ursprünge des Lebens, sagte Schülerin Rachel Jennigs (16) aus Maryland einer Radioreporterin. «Die Evolution kann nicht bewiesen werden, die biblische Schöpfungsgeschichte schon», meinte sie. Auf die perplexe Frage «Wie?» meinte Rachel: «Weil der Schöpfer in meinem Herzen lebt.» Kim Abels, Mutter dreier Kinder, sagte in demselben Programm: «Wenn wir Evolution lehren und nicht über die Schöpfungsgeschichte reden, wo ist dann unsere Zukunft?»

Eugene Scott ist Präsidentin des «Nationalen Zentrums für Wissenschaftserziehung», das sich der Verteidigung der Evolutionslehre verschrieben hat. Die Organisation mit 4000 Mitgliedern gibt alarmierten Eltern Argumentationshilfe. «Es ist wirklich eine Herausforderung, gegen diese Argumente anzugehen», sagt Scott.

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