Irreführung von Darmzellen verschafft Bakterien Zutritt

Erstmals atomare Details der Infektionsstrategie von Listerien aufgeklärt

17.12.2002

Das Bakterium Listeria monocytogenes kann eine lebensgefährliche Hirnhautentzündung au-lösen. Meist über die Nahrung aufgenommen, überwinden die Erreger im Darm die erste Schutzschranke des menschlichen Körpers, indem sie in einzelne Zellen eindringen. Von dort aus treten die Keime ihre zerstörerische Reise durch den Körper an. Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) berichten jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Cell, wie Listeria die menschlichen Abwehrmechanismen aushebelt. Dazu klärte das Forscherteam um Dr. Dirk Heinz erstmals die räumliche Struktur eines Schlüsselkomplexes auf, mit dem sich Bakterien Eintritt in menschliche Zellen verschaffen. Die Ergebnisse tragen dazu bei, Infektionsmechanismen grundsätzlich zu verstehen.

Der "falsche" aber perfekte Partner

Darmzellen tragen auf ihrer Oberfläche den Rezeptor E-Cadherin. Normalerweise erkennt dieses Eiweiß-Molekül nur seinesgleichen und sorgt so für die undurchlässige Verknüpfung benachbarter Zellen der Darmschleimhaut. Die Listerien haben im Verlauf der Evolution das Internalin entwickelt, mit dem sie genau dieses E-Cadherin erkennen. "Das Internalin gleicht einem verbogenen Hufeisen und nimmt das E-Cadherin in einen maßgeschneiderten Würgegriff", erklärt der Strukturbiologe Dr. Wolf-Dieter Schubert die Daten der Röntgenstrukturanalyse. Diese Irreführung löst schließlich die Aufnahme der Bakterien in die Darmzellen aus.

Praktische Anwendung des Wissens

Was lässt sich mit dem Detailwissen der Strukturbiologen anfangen? Denkbar wäre, den Mechanismus des Internalins - ohne die gefährlichen Listerien im Schlepptau - zu nutzen, um Medikamente gezielt in Darmzellen einzuschleusen. Die Wissenschaftler denken da an die Therapie von Darmkrankheiten oder vielleicht sogar die Vernichtung von Darmkrebszellen. Zudem gibt es Verwandte des Internalins, die beispielsweise Nieren- oder Leberzellen erkennen. So könnte dieser Therapieansatz auch auf andere Gewebetypen ausgeweitet werden.

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