Navi für Nervenzellen
FLRT-Proteine dirigieren Vorläufer von Pyramidenzellen mit anziehender und abstoßender Wirkung zu ihrem Bestimmungsort
© Seiradake et al, Neuron 2014
Pyramidenzellen sind die zentralen Nervenzellen in der Großhirnrinde. Während der Embryonalentwicklung klettern die Vorläufer der Pyramidenzellen an den Ausläufern sogenannter Gliazellen entlang von ihrem Ursprungsort zur Oberfläche der Großhirnrinde. Sobald die Zellen in der ihnen zugedachten Schicht angekommen sind, entwickeln sie sich zu fertigen Pyramidenzellen und verknüpfen sich zu einem funktionellen Netzwerk. Die Pyramidenzellen breiten sich auch in begrenztem Umfang innerhalb dieser Schichten aus – die Bedeutung dieser tangentialen Wanderung wird bisher noch wenig verstanden.
Diese Wanderung der Vorläufer-Pyramidenzellen wird von den FLRTs (Fibronektin-Leucin-reichen Transmembranproteinen) auf der Oberfläche der Vorläuferzellen gesteuert. Den Forschern am Max-Planck-Institut zufolge bilden sie zusammen mit dem Rezeptor Unc5 eine Gruppe von Leitproteinen mit gegensätzlicher Wirkung auf die Zellwanderung. Einerseits wirken sie abstoßend. Dies ist der Fall, wenn auf der Oberfläche der Vorläuferzelle ein FLRT-Molekül an einen Unc5-Rezeptor bindet. „Während der radialen Wanderung erhält die Vorläuferzelle so das Signal mit der angepassten Geschwindigkeit weiterzuwandern und nicht frühzeitig in äußere Schichten einzuwandern“, erklärt Rüdiger Klein vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie.
Binden jedoch zwei gleiche FLRT-Moleküle aneinander, löst dies ein anziehendes Signal aus. Die Ergebnisse der Wissenschaftler belegen, dass sich die Vorläuferzellen auf diese Weise während der tangentialen Ausbreitung orientieren. Sie können dadurch in ihrer Zielschicht bleiben. Auf der Oberfläche der Pyramidenzellenvorläufer gibt es also Proteine mit anziehender und abstoßender Wirkung. „Die Zellen müssen diese gegensätzlichen Signale miteinander verrechnen und können so durch das Gehirngewebe navigieren. Während der radialen Wanderung überwiegt die Abstoßung, bei der tangentialen die Anziehung der FLRT-Proteine“, sagt Klein.
In ihrer Studie haben die Wissenschaftler zudem die Oberflächenstruktur der FLRT-Proteine mithilfe von Röntgenstrukturanalysen untersucht. Dadurch konnten sie zeigen, dass die richtige Balance dieser Signale auch für die Wanderung anderer Zelltypen wichtig ist: Die Zellen in den Wänden von Blutgefäßen der Retina im Auge und der Nabelschnur werden ebenfalls von einem Zusammenspiel aus anziehenden und abstoßenden Signalen der FLRT- und Unc5-Proteine gesteuert.
Originalveröffentlichung
Elena Seiradake, Daniel del Toro, Daniel Nagel, Florian Cop, Ricarda Härtl, Tobias Ruff, Gönül Seyit-Bremer, Karl Harlos, Ellen Clare Border, Amparo Acker-Palmer, E.Yvonne Jones, Rüdiger Klein; "FLRT structure: balancing repulsion and cell adhesion in cortical and vascular development"; Neuron, 2014
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