Die bittere Seite des Traubenzuckers

Rezeptor für Bittergeschmack identifiziert

16.10.2002
Starker Bittergeschmack in Lebensmitteln ruft beim Verbraucher Ablehnung hervor, da diese Geschmacksrichtung vor toxischen Substanzen warnt, und dadurch vor Vergiftungen schützt. Diese Schutzfunktion führt aber auch zu nicht unerheblichen Problemen bei der Akzeptanz von Medikamenten und gesundheitsfördernden Lebensmittelinhaltsstoffen. Andererseits wird ein leichter Bittergeschmack in manchen Speisen und Getränken erwartet und als angenehm empfunden. Dazu zählen, wie man weiß Schokolade und Bier. Zahlreiche Untersuchungen haben sich mit dem Bittergeschmack beschäftigt, doch sind viele Details der zugrunde liegenden Mechanismen noch unbekannt. Anatomische, funktionelle und genetische Daten führten zur Entdeckung einer Familie von Bitterrezeptoren in Nagetieren. Die Bedeutung dieser Rezeptoren für den Menschen ist jedoch fraglich. Der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Wolfgang Meyerhof vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE, ein Institut der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz) gelang es jetzt, alle der wahrscheinlich 24 Mitglieder umfassenden menschlichen Rezeptorfamilie zu isolieren (Nature Genetics 2002, 10.1038/Ng1014). Für den Rezeptor TAS2R16 konnten die Forscher dann zeigen, dass er in den Rezeptorzellen der Zunge vorkommt. Bei der genauen Charakterisierung seines Substanzspektrums zeigte sich, dass TAS2R16 durch zahlreiche, chemisch verwandte Bitterstoffe, den sogenannten beta-Glucosiden aktiviert wird. Diese bestehen aus zwei Bausteinen. Einer ist der intensiv süß schmeckende Traubenzucker Glucose. Er kann mit verschiedenen geschmacklosen hydrophoben Verbindungen verknüpft sein. Zu den beta-Glucosiden gehören u.a. das Amygdalin aus Bittermandeln und Apfelkernen oder das Salicin aus der Weide, einem seit 3500 Jahren bekannten Arzneistoff. Aufgrund dieser Ergebnisse ist es erstmals möglich, an Hand der chemischen Struktur vorherzusagen, welche Glykoside für den Menschen bitter schmecken. Eine Anwendung hierfür könnte die Entwicklung von Lebensmitteln oder Arzneistoffen sein, die keinen Bittergeschmack mehr aufweisen. Die geringe Anzahl von 24 Bitterrezeptoren mag angesichts der großen Zahl bekannter Bitterstoffe überraschen. Die Ergebnisse der Potsdamer Forscher zeigen jedoch, dass einer dieser Rezeptoren durch sehr viele Bitterstoffe aktivierbar ist. Wäre dieses Verhalten typisch für alle Mitglieder der Familie, käme man der Erklärung näher, wieso wir Menschen mit so wenigen Rezeptoren Hunderte, wenn nicht gar Tausende von Bitterstoffen empfinden können.

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