Kontrollverlust in der Eizelle

Forscher klären wichtigen Mechanismus für Fehlbildungen bei Chromosomen

29.11.2013 - Österreich

Bei Schwangerschaften in höherem Alter steigt die Häufigkeit fehlerhafter Chromosomenverteilungen. Als Folge können Trisomien (zB „Down-Syndrom“) auftreten, die mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen einhergehen. Forscher am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben nun herausgefunden, welche Mechanismen in der Eizelle zur fehlerhaften Aufteilung von Chromosomen führen können.

IMBA

Aneuploid Mouse Eggcell

Die in der Eizelle zunächst doppelt vorliegenden Chromosomen werden bis zum Moment der Zellteilung von einem molekularen Klebstoff namens „Cohesin“ zusammengehalten. Es handelt sich dabei um eine Ringstruktur aus Proteinen, die mit zunehmendem Alter auseinanderfällt. Dies kann zu einer fehlerhaften Aufteilung der Chromosomen führen. Diese Fehlbildungen führen häufig zur Entstehung von Down Syndrom (Trisomie 21), Edward Syndrom (Trisomie 18) oder Klinefelter Syndrom (XXY). Der IMBA Wissenschafterin Kikue Tachibana-Konwalski und ihrem Team ist es nun gelungen, den Zusammenhang zwischen Cohesin und einem wesentlichen Kontrollpunkt im Prozess der Chromosomenverteilung zu entschlüsseln.

Molekularer Klebstoff reguliert Kontrollpunkt

Bei der Zellteilung müssen sich zunächst alle Chromosomen an die mitotische Spindel zwischen beiden Polen anheften. Man hat bereits herausgefunden, dass ein gewisser Kontrollpunkt (Spindle Assembly Checkpoint – SAC) hierbei eine wichtige Rolle spielt. Wird dieser "Checkpoint" überwunden, werden Chromosomen frühzeitig und damit möglicherweise fehlerhaft auf die Tochterzellen verteilt.

In ihren früheren Arbeiten hat Kikue Tachibana-Konwalski bereits herausgefunden, dass Cohesin eine wichtige Rolle für den Zusammenhalt der Chromosomen vor der Befruchtung der Eizelle spielt. Aufbauend auf diese Erkenntnis, konnte die Genetikerin nun zeigen, dass Cohesin für die Regulierung des Kontrollpunktes in der Eizelle benötigt wird. Da aber mit zunehmendem Alter die Cohesinmenge in den Eizellen abnimmt, kann auch die Regulierung des Kontrollpunktes nicht mehr zuverlässig erfolgen. Das Risiko von fehlerhaften Chromosomenverteilungen und Fehlgeburten könnte sich dadurch drastisch erhöhen

Gezielte Spaltung

Um herauszufinden, welche Rolle Cohesin in der Eizelle noch spielen kann, wenden die Wissenschafterin und ihr Team eine hochspezifische Schnitttechnik für Proteine an. Diese sogenannte „TEV Protease“, an deren Entwicklung Kikue Tachibana-Konwalski maßgeblich mitgewirkt hat, ermöglicht es den Forschern, Cohesin in der Zelle gezielt stillzulegen, während es anderswo seine Funktion weiterhin normal ausführen kann. Aber anstatt den Kontrollpunkt durch die Deaktivierung von Cohesin anzuschalten und damit die Zellteilung zu stoppen, blieb die erwartete Aktivierung aus, was zur Bildung zahlreicher fehlerhafter Eizellen führte.

Trisomie-Risiko steigt mit zunehmendem Alter

„Tritt die Trisomie bei Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren nur bei etwa drei Prozent aller klinisch erkannten Schwangerschaften auf, sind es bei Frauen im Alter von 40 Jahren bereits 30 Prozent. Dieser Aspekt ist vor allem wichtig, da Frauen heute immer später Mütter werden“, betont Kikue Tachibana-Konwalski die Relevanz ihrer Arbeit. In Zukunft möchte sie die Chromosomenverteilung in Eizellen weiter erforschen und Methoden entwickeln, wie man älteren Frauen zu gesunden Eizellen verhelfen kann.

Originalveröffentlichung

„Current Biology“ : “Spindle Assembly Checkpoint of Oocytes Depends on a Kinetochore Structure Determined by Cohesin in Meiosis I”

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