Forscher: Cholesterin-Senker bei Vorbeugung wirksamer als gedacht

05.07.2002
London (dpa) - Cholesterin senkende Mittel können einer britischen Studie zufolge für ein weitaus größeres Spektrum von Patienten und Krankheiten eingesetzt werden als bisher angenommen. Das britische Fachmagazin «Lancet» (BD. 360, S. 7) veröffentlicht in seiner Ausgabe vom Samstag Forschungsergebnisse der britischen Herzstiftung, wonach die Anwendung von so genannten Statinen künftig nicht mehr nur auf Patienten mit Herzleiden oder erhöhten Blut-Cholesterin-Werten beschränkt bleiben sollte. Nach Ansicht der Forscher könnten durch die Erkenntnisse jährlich «Zehntausende von Menschenleben» gerettet werden. Die Untersuchungen hätten gezeigt, dass das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko auch bei Menschen erheblich reduziert werden kann, die an Diabetes oder Arterienerkrankungen leiden oder bereits einen Schlaganfall hinter sich haben. Das Spektrum der Patienten, die durch diese Behandlung eine Chance zur Vorbeugung bekämen, werde erheblich erweitert. Die Einnahme von Statinen sei auch für Patienten vorteilhaft, deren Cholesterinspiegel als «niedrig» oder «normal» gelten.» Die Studie sei «wirklich bedeutend», erklärte Professor Helmut Gohlke, Chefarzt am Herz-Zentrum Bad Krozingen und Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung auf Anfrage der dpa. Der Nutzen der Statin-Therapie werde in einem Umfang gesichert, wie kaum eine zweite Behandlung in der Herzmedizin. Interessant sei auch, dass die Forschung nicht von einem Pharmaunternehmen, sondern von der britischen Herzstiftung durchgeführt worden sei. «Die eindeutige Botschaft ist: «Behandeln Sie das Risiko und nicht den Cholesterinspiegel», sagte Professor Charles George von der britischen Herzstiftung zu der Studie. Er rief zu einer entsprechenden Abänderung der nationalen und internationalen Regeln für die Anwendung und Vergabe von Statinen auf. Die Studie liefere den Beweis, dass Statine unabhängig von den Cholesterinwerten zur Verhinderung von Herzinfarkten und Schlaganfällen «für alle Risikopatienten» von Nutzen seien. Die Forschungen hätten ferner gezeigt, dass, entgegen der bisherigen Annahme, auch Menschen im Alter von mehr als 70 Jahren von einer Behandlung mit Statinen profitieren. Der Leiter der Studie, Professor Rory Collins von der Universität Oxford, sagte: «Diese neuen Erkenntnisse sind weltweit für die Behandlung von Hundertmillionen von Menschen relevant.» Durch die Vergabe von Statinen an weitere 10 Millionen Menschen könnten nach seiner Einschätzung pro Jahr 50 000 Menschenleben gerettet werden. Die britische Herzstiftung hatte für ihr Projekt «Herzschutzstudie» insgesamt 20 000 Patienten im Alter von 40 bis 80 Jahren herangezogen. Darunter waren 5000 Frauen. Den Patienten, die an Herzkrankheiten, Arterienerkrankungen oder Diabetes litten, wurde über einen Zeitraum von fünf Jahren pro Tag 40 mg das Statin namens Simvastatin verabreicht. Auch Frauen über 70 und Patienten mit «normalen» Cholesterinwerten wurden einbezogen. Statine gerieten im vergangenen Jahr in die Diskussion, weil das Pharmaunternehmen Bayer das Medikament Lipobay vom Markt genommen hatte, das ein spezielles Statin (Cerivastatin) enthielt. Dieses steht im Verdacht, Muskelschäden mit Todesfolge auslösen zu können. Die anderen Statine haben laut Gohlke jedoch ein 20-fach geringeres Risiko. Ein Patient solle dennoch einen Bluttest etwa drei Wochen nach der ersten Einnahme machen lassen, der anzeigt, ob die Konzentration an Muskel- oder Leberenzymen angestiegen ist. Danach sollten die Blutwerte ein bis zwei Mal im Jahr überprüft werden.

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