Wie teilen sich Tumorzellen im Gedränge?

Ergebnisse haben das Potenzial, neue Ansatzpunkte für die Krebstherapie aufzuzeigen

07.09.2020 - Deutschland

Wissenschaftler unter der Leitung von Dr. Elisabeth Fischer-Friedrich, Gruppenleiterin am Exzellenzcluster Physik des Lebens (PoL) und am Biotechnologischen Zentrum der TU Dresden (BIOTEC), untersuchten, wie sich Krebszellen in einem dicht gedrängten Tumorgewebe teilen können. Dabei prüften sie insbesondere wie sich die sogenannte Epithelial-mesenchymale Transition (EMT), ein Vorläuferprozess bei der Metastasenbildung, auswirkt.

Dr. Elisabeth Fischer-Friedrich

Ein Mini-Tumor aus menschlichen Brustkrebszellen (MCF-7). Grün: eine sich teilende Zelle.

Die meisten tierischen Zellen nehmen eine kugelige Form an, um sich teilen zu können. Um diese runde Form zu erreichen, müssen die Zellen sich aufrunden und dabei die umliegenden Zellen verformen. In einem wachsenden Tumorgewebe findet dieser Prozess in einer Umgebung statt, die viel dichter gedrängt ist als das gesunde Gewebe. Das bedeutet, dass sich teilende Tumorzellen vermutlich höhere mechanische Kräfte erzeugen müssen, um sich in einer so dicht gepackten Umgebung zu verformen. Tumorzellen scheinen jedoch auf solche Schwierigkeiten in spezieller Weise vorbereitet zu sein. Die Wissenschaftler fragten sich, wie genau die Tumorzellen diese verbesserte Fähigkeit zur Aufrundung erhalten.

Sie fanden heraus, dass eine Antwort darauf die sogenannte Epithelial-mesenchymale Transition – kurz EMT – sein könnte. "EMT ist ein Kennzeichen der Tumorentwicklung", sagt Kamran Hosseini, Doktorand in der Fischer-Friedrich-Gruppe, der die Experimente durchgeführt hat. Bei der EMT handelt es sich um eine Zelltransformation, bei der epitheliale Tumorzellen ihre asymmetrische Organisation verlieren und sich von ihren Nachbarn ablösen. Damit erhalten sie die Fähigkeit in andere Gewebe einzuwandern. Zusammen mit anderen Faktoren erlaubt dies dem Tumor zu metastasieren, das heißt in die Blut- und Lymphgefäße zu wandern und schließlich andere Organe zu besiedeln.

"Bislang wurde die EMT hauptsächlich mit dieser sogenannten verstärkten Zelldissoziation und Zellmigration in Verbindung gebracht. Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass die EMT Krebszellen auch beeinflussen könnte, indem sie eine erfolgreiche Aufrundung und Zellteilung fördert. Diese Ergebnisse zeigen also eine ganz neue Richtung, wie EMT die Metastasierung von Tumoren im Körper beeinflussen könnte", erklärt Kamran Hosseini.

So wie sich der Reifegrad von Früchten testen lässt, indem man sie sanft mit den Händen zusammendrückt, untersuchten die Wissenschaftler die mechanischen Eigenschaften der menschlichen Zellen. Allerdings nutzten sie ein Rasterkraftmikroskop, um einzelne menschliche Zellen zu verformen. Mit dieser hochmodernen Apparatur wurden Eigenschaften wie Zellsteifigkeit und Zelloberflächenspannung vor und nach der EMT gemessen. Darüber hinaus kultivierte die Gruppe von Dr. Elisabeth Fischer-Friedrich in Zusammenarbeit mit Dr. Anna Taubenberger (BIOTEC, TU Dresden) und Prof. Carsten Werner (IPF, Dresden) Mini-Tumore umgeben von elastischen Hydrogelen. Damit testeten die Forscher, wie sich der mechanische Einschluss auf die zelluläre Aufrundung und die Häufigkeit der Zellteilung in den Mini-Tumoren auswirkt.

Die Autoren stellten Veränderungen in der Zellaufrundung und im Wachstum des Tumorgewebes fest. Die EMT beeinflusste die Krebszellen dabei auf unterschiedliche Arten. Die sich teilenden Zellen waren steifer und wiesen eine höhere Oberflächenspannung auf. Dagegen waren die Zellen, die sich nicht in der Teilung befanden, weicher. Auf diese Weise machte die EMT nicht nur die sich teilenden Tumorzellen steifer, sondern auch die umgebenden, sich nicht-teilenden Zellen leichter verformbar. Die Forscher konnten die mechanischen Veränderungen der Zellen mit dem verstärkten Anschalten eines Proteins, des sogenannten Rac1, in Verbindung bringen. Rac1 ist ein bekannter Regulator des Zellskeletts.

"Unsere Ergebnisse sind nicht nur für die Zellbiologie sehr relevant, sondern haben auch das Potenzial, neue Ansatzpunkte für die Krebstherapie aufzuzeigen ", sagt Dr. Elisabeth Fischer-Friedrich.

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