Stammzellpionier Schöler: Wissenschaft braucht vertrauliche Foren

22.07.2008

(dpa) Der Münsteraner Stammzellforscher Prof. Hans Schöler schlägt vertrauliche Foren für Wissenschaftler vor, um den Erfahrungsaustausch der Experten zu fördern. Journalisten sollten von solchen Veranstaltungen zwar nicht ausgeschlossen werden, aber nicht unmittelbar berichten dürfen, regt der Direktor am Max-Planck- Institut für molekulare Biomedizin im Interview «Drei Fragen, drei Antworten» der Deutschen Presse-Agentur dpa an.

Herr Schöler, sollen Journalisten Ihrer Meinung nach auf wissenschaftlichen Kongressen eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben?

Schöler: «Es geht mir überhaupt nicht darum, die journalistische Freiheit einzuschränken. Mein Ziel ist es auch nicht, eine solche Regelung für alle wissenschaftlichen Tagungen einzuführen, sondern nur für einige wenige hoch spezialisierte Workshops, in denen sich Forscher über noch sehr frische, vorläufige Ergebnisse ihrer Arbeit austauschen. Mir geht es um etwas anderes: Zum einen wünsche ich mir eine sachliche und vor allem fachlich korrekte Berichterstattung über die biomedizinische Forschung. Gerade im Bereich der Stammzellforschung finde ich das extrem wichtig. Denn ich finde es unverantwortlich, kranken Menschen mit vermeintlichen "Durchbrüchen" falsche Hoffnungen zu machen. Zum anderen will ich deutlich machen, dass die Stammzellforschung ein Gebiet ist, auf dem es in den vergangenen zwei Jahren zwar atemberaubende Fortschritte gab. Gleichzeitig aber ist gerade dieses Gebiet auch für uns Wissenschaftler noch weitgehend Neuland. Das heißt: Es gibt vieles, was wir noch nicht wissen und was erst noch gründlich erforscht werden muss.»

Das heißt, manche auf einem Kongress vorgestellten Befunde sind noch gar nicht hieb- und stichfest?

Schöler: «Meine Kollegen und ich befinden uns noch mitten in einem Prozess, in dem wir unterschiedlichste Hypothesen aufstellen, diese anhand von Experimenten überprüfen und anschließend versuchen müssen, die Ergebnisse aus unseren Experimenten richtig zu interpretieren oder eben ganz andere, bessere Experimente zu entwerfen. Um das sinnvoll und effektiv tun zu können, ist es ungemein wichtig, sich ab und zu mit den besten Köpfen aus dem eigenen Forschungsgebiet intensiv und offen austauschen zu können. Genau dafür gibt es solche hoch spezialisierten Workshops oder Tagungen. Das heißt auch, dass man dort seine noch vorläufigen Ergebnisse der kritischen Prüfung der Kollegen unterzieht. Allerdings stellen solche Treffen für uns Wissenschaftler auch ein Risiko dar. Erstens laufen wir Gefahr, dass andere Forscher unsere Ideen und Ergebnisse aufschnappen und sie irgendwann später als ihre eigene Leistung ausgeben. Und zweitens kann es passieren, dass spannende neue Befunde, die aber noch gar nicht ausreichend überprüft werden konnten, schon als "Durchbruch" in der Öffentlichkeit gefeiert werden. Genau das will ich nicht.»

Wie können Journalisten dann über Neues berichten, ohne dass sich die Forscher zu sehr in ihren Diskussionsmöglichkeiten eingeschränkt fühlen?

Schöler: «Ich fände es gut, wenn wir für einige wenige Konferenzen, die eben diesen besonderen Charakter des Erfahrungsaustauschs haben, eine ähnliche Vertraulichkeitsregelung einführen würden wie in den USA. Darin verpflichten sich die Teilnehmer, alle Informationen und Ergebnisse, die auf der Tagung präsentiert werden, erst einmal nicht nach außen zu tragen. Diese Vereinbarung gilt keineswegs nur für Journalisten, sondern auch und in erster Linie für die teilnehmenden Wissenschaftler ­ und zwar für alle. Zudem bedeutet eine solche Vertraulichkeitsvereinbarung ja nicht, dass Journalisten nicht über neue Forschungsergebnisse berichten sollen oder dürfen. Es geht vielmehr darum, sie frühzeitig in die wissenschaftlichen Diskussionen einzubinden, damit sie später ­ wenn die Befunde ausreichend bestätigt und untermauert werden konnten ­ fundiert darüber berichten können. Wie sie das tun, bleibt ihnen deswegen ja trotzdem völlig frei gestellt ­ solange die Fakten stimmen.»

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