Pharmabranche setzt auf Biotechnologie
19.12.2001
40 Prozent der pharmazeutischen Patentanmeldungen weisen Verbindung zur
Biotechnologie auf / USA dominieren / Deutsche Wettbewerbsposition sinkt /
Unternehmen setzen auf Kooperationen / Studie des Fraunhofer ISI
Die Pharmazeutik hat eine lange Tradition in Deutschland, und die
Außenhandelsdaten, zeigen dass die deutsche Pharmaindustrie international
erfolgreich ist. Doch sind wegen der Entwicklungen in der modernen
Biotechnologie die Strukturen heftig in Bewegung geraten. Insbesondere bei
der forschungsintensiven Wirkstoffforschung weisen viele Anzeichen auf
eine sinkende Wettbewerbsposition Deutschlands hin. Das zeigt eine
Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Systemtechnik und
Innovationsforschung ISI, Karlsruhe, zum Einfluss der Biotechnologie auf
die pharmazeutische Industrie.
Die Wissenschaftler des Fraunhofer ISI stellen eine im internationalen
Vergleich sinkende Bedeutung Deutschlands als Standort der
Pharmaforschung fest. Deutsche Unternehmen geben wesentlich weniger
für Forschung und Entwicklung aus als beispielsweise die Vereinigten
Staaten. Dort liegen die Ausgaben mit jährlich 19 Milliarden Euro deutlich
höher als in Europa, das insgesamt rund 14 Milliarden Euro für die
Erforschung und Entwicklung neuer Pharmazeutika ausgibt - 3 Milliarden
davon in Deutschland. Obwohl Europa seine Ausgaben in den letzten fünf
Jahren damit um knapp 60 Prozent steigerte, reicht dies nicht aus, den
erheblichen Innovationsschub in den USA auszugleichen. Dort betrug die
Steigerungsrate fast 120 Prozent.
Ein weiterer Grund für Deutschlands Rückstand ist die unterschiedlich
starke Verbreitung moderner biotechnologischer Verfahren in der
Pharmaindustrie. Nach den Untersuchungen der Fraunhofer-Forscher ist in
Deutschland der Durchdringungsgrad der Biotechnologie in den
Pharmasektor deutlich geringer als in den Vereinigten Staaten. So wiesen
Ende der 90er Jahre weltweit bereits 40 Prozent der pharmazeutischen
Patentanmeldungen eine Verbindung zur Biotechnologie auf. Doch während
die Vereinigten Staaten gut 5 Prozent über dem weltweiten Durchschnitt
liegen, liegt Deutschland rund 5 Prozent darunter.
Auch in der Unternehmensstruktur der biotechnologierelevanten
Pharmaforschung kam es in den letzten Jahren in Deutschland zu
bemerkenswerten Verschiebungen. Die großen multinationalen
Pharmakonzerne haben ihre führende Rolle deutlich eingebüßt. Ihr Anteil an
den Patentanmeldungen ist im Verlauf der 90er Jahre von 65 Prozent auf
43 Prozent gefallen. Sie mussten Anteile abgeben, und zwar an
Biotechnologieunternehmen und an so genannte Wissenschaftserfinder.
Dahinter verbergen sich häufig Hochschulen. In den USA war das
Verhältnis zwischen den großen Pharmafirmen und den jungen
Biotechnologiefirmen insgesamt deutlich ausgeglichener.
Kooperationen sind für die großen Pharmakonzerne ein Weg, sich das
notwendige Know-how und die neusten Ergebnisse der
biotechnologierelevanten Pharmaforschung sicherzustellen. Das zeigen
Analysen der Wissenschaftler des Fraunhofer ISI zum Publikationsverhalten
der Unternehmen. Während insbesondere deutsche Universitäten
zugunsten amerikanischer Einrichtungen an Bedeutung verloren, setzen sich
deutsche Biotechnologieunternehmen als Lieferanten von Know-how
zunehmend besser in Szene. Sie konnten mittlerweile die amerikanische
Monopolstellung der 90er Jahre durchbrechen. Waren früher ausschließlich
amerikanische Biotechnologieunternehmen an den Publikationen deutscher
Pharmakonzerne beteiligt, so stellen deutsche Biotechnologieunternehmen
mittlerweile bei 22 Prozent aller Publikationen die Koautoren.
Das Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung ISI
erweitert das naturwissenschaftlich-technisch orientierte Fachspektrum der
Fraunhofer-Gesellschaft um wirtschafts- und gesellschaftspolitische
Aspekte. Dazu analysiert es technische Entwicklungen sowie deren
Marktpotenziale und Auswirkungen auf Wirtschaft, Staat und Gesellschaft.
Die interdisziplinär zusammengesetzten Teams des Instituts konzentrieren
sich insbesondere auf die Bereiche Energie, Umwelt, Produktion,
Kommunikation und Biotechnologie sowie auf die Regionalforschung und
Innovationspolitik.
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