Berliner Forscher setzen Trends in der Medizintechnologie

05.01.2005
(dpa) - Neue Haut aus der Spraydose, Nanopartikel gegen Hirntumore oder Zuckermoleküle gegen Grippe: In Berlin wird derzeit an verschiedensten Trends der Medizintechnologie geforscht. «Wir wollen auf den Zug aufspringen und ihm nicht hinterhergucken», sagt die Biochemikerin Gesche Harms von der «Glykostrukturfabrik», einem bundesweit einzigartigen Netzwerk, in dem Forscher der Charité und Biotech-Firmen von BioTOP Berlin-Brandenburg zusammenarbeiten. Ihr Ziel: Mit Hilfe der komplexen Zuckerstrukturen neue Ansätze für die Diagnose und Therapie von Krankheiten zu finden. «Diese so genannten Glykane sind außen an die meisten Proteine angeheftet und spielen eine entscheidende Rolle bei der Kommunikation und der Aneinanderbindung von Zellen», sagt Harms. Das Prinzip: Zum Glykan der einen Zelle passt nach dem Schlüssel-Loch-Prinzip ein entsprechender Rezeptor (Lektin) der zweiten Zelle. Über diese Verbindung werden nicht nur Informationen weitergegeben, sondern weiße Blutkörperchen können als «Körperpolizei» auch aus der Blutbahn ins Gewebe zu einem Entzündungsherd vordringen. Diese Zucker-Verbindungen zu nutzen oder zu kappen, eröffnet ein weites Feld an Einsatzmöglichkeiten bei der Bekämpfung von Infektions- oder Autoimmunerkrankungen: Schon heute funktioniert so das Grippemedikament Tamiflu. Auch Krebszellen haben oft spezifische Glykanstrukturen, die ihnen ermöglichen, aus der Blutbahn ins Gewebe zu wandern. «In Zukunft könnte daraus ein Therapieansatz werden, schon heute dienen diese Strukturen als Prognosemarker», sagt Harms. Krebsforscher und Biochemiker Andreas Jordan von der Charité setzt indes auf andere Kleinstteilchen im Kampf gegen Krebs: Er schleust winzige Partikel von einem Millionstel Millimeter, bestehend aus einem Eisenoxid-Kern mit Zuckerummantelung, in Hirntumore, um sie dort durch ein Magnetfeld zu erhitzen. Wie trojanische Pferde schmelzen sie die Krebszellen, von denen sie «geschluckt» wurden, dann von innen heraus, verletzen das umliegende gesunde Gewebe aber nicht. Die mangelnde Zielgenauigkeit war bislang das Problem bei den bereits bestehenden Überhitzungs-Verfahren (Hyperthermie) gegen Krebs. «Schon zwei Zentimeter neben dem Tumor ist die Gewebetemperatur wieder völlig normal», berichtete Jordan auf einer Tagung des Bundesverbands Medizintechnologie. Der genaue Ort für das Einspritzen der Nanopartikel wird mittels verschiedener Bild gebender Verfahren (MRT, PET) bestimmt. «Die bisherigen Ergebnisse der vier klinischen Studien, die seit Anfang 2003 am Charité-Klinikum für Strahlenheilkunde zu verschiedenen Tumorerkrankungen laufen, geben Anlass zu vorsichtigem Optimismus», sagt Jordan. Die erste Studie wurde im Sommer 2004 abgeschlossen: Die 14 Hirntumor-Patienten mit dreimonatiger Überlebenserwartung leben seitdem im Schnitt schon mindestens drei Mal so lange. Kritiker halten dagegen, dass die winzigen Metallteilchen sich in Organen ablagern und dort Folgeschäden hervorrufen können. Bernd Hartmann machen ungleich größere Dimensionen zu schaffen: Er ist Chefarzt am Zentrum für Schwerbrandverletzte am Unfallkrankenhaus Berlin-Marzahn. Menschen, deren Haut bis zu über 90 Prozent verbrannt ist, können heute gerettet werden. Allerdings reichen Transplantate von Eigenhaut bei Verbrennungen über 65 Prozent meist nicht mehr aus. In der Regel wird mit einer Mischung aus aufgedehnter Eigen- und Kulturhaut gearbeitet, die aus Hautzellen des Verletzten über Wochen gezüchtet wird. Die Kombination mit synthetischen Verfahren, etwa für das wichtige Kollagengerüst unter der Oberhaut, wird derzeit erst erprobt. Hier setzen die Forscher des Berliner Hauptprojektes an: So sollen künftig teilungsfähige Deckhautzellen direkt in das dermale Wundbett gesprüht werden und gleich in der Wunde wachsen. Um sie dort für eine gewisse Übergangszeit zu ernähren, haben die Berliner spezielle Bioreaktoren entwickelt. «Ein Vorteil dieses aus Australien stammenden Spray-Verfahrens ist, dass auf lange Kulturzeiten im Labor verzichtet werden kann», sagt Hartmann. Nägel, Haare und Schweißdrüsen ließen sich bislang aber noch nicht nachbilden. «Das wird Aufgabe der Stammzellenforschung sein.»

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