Das Schweigen der Gene

BioTrends gab Einblicke in neue Entwicklungen der Biotechnologie

23.02.2004

MIT - Berlin. Woran Wissenschaftler und Entwickler in der Biotech-Industrie und -Forschung arbeiten, darüber diskutierten vergangene Woche rund 120 Teilnehmer auf dem BioTrends-Kongress in Berlin-Spandau. Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie aus England und den USA gaben in rund 40 Fachvorträgen tiefe Einblicke in neueste Entwicklungen der Branche. Ein Beispiel ist die RNA-Interferenz, eine noch junge Technologie, mit der gezielt bestimmte Gene ausgeschaltet werden können. Wenngleich es das Ziel ist, mit Hilfe der RNA-Interferenz künftig Krebs und andere Krankheiten zu heilen, so wird diese Technologie dazu genutzt, die Funktion bestimmter Gene näher zu erforschen.

Biomoleküle, die als winzige Strukturen auf Glas oder Kunststoff aufgedruckt und mit mikroelektronischen und -sensorischen Systemen verbunden sind, könnten künftig Massenanalysen in einem Bruchteil der heute dafür notwendigen Zeit ermöglichen. Dies veranschaulichte Dr. Bruno Michel vom IBM Forschungslabor Zürich. Denn je kleiner solche Systeme sind, um so schneller verteilen sich alle Reagenzien, die für die Analyse benötigt werden und alle biochemischen Reaktionen können nach kürzerer Zeit ausgelesen werden.

Tony Smith, Technischer Forschungs- und Entwicklungsleiter der britischen Biotechnologiefirma Solexa Ltd., präsentierte ein Verfahren zur Sequenzierung des menschlichen Genoms auf einem Chip. Bis zu einer Milliarde DNA-Stücke sollen auf dem Chip Platz finden. Zwar wurde das menschliche Erbgut bereits entziffert, doch suchen Wissenschaftler nun auch nach individuellen Unterschieden in den Genen. Solexa will die Kosten für die Sequenzierung einzelner Genome deutlich senken. Die Craig Venter-Stiftung hat dazu erst im Herbst letzten Jahres ein Preisgeld in Höhe von 500.000 Dollar ausgeschrieben. Ziel ist es, die Sequenzierung des gesamten menschlichen Erbguts zu einem Tarif von 1.000 Dollar möglich zu machen.

Derzeit entwickelt die Pharma-Industrie Medikamente für den Massenmarkt. Eine Alternative könnte die so genannte personalisierte Medizin sein. Hierbei stehen die genetischen Veranlagungen für die Wirksamkeit und Verträglichkeit neuer Wirksubstanzen im Mittelpunkt. Die Genom- und Proteomforschung sind dabei der Schlüssel, um Wirkstoffe zu finden, die zu bestimmten Patientengruppen passen. Doch um das zu ermöglichen, müssten nach Einschätzung von Prof. Dr. Kewal Jain die Kosten für das Erstellen genetischer Diagnosen deutlich sinken. Läge der Preis für die Bestimmung eines einzelnen Genotyps bei maximal einem Cent, könne die personalisierte Medizin bis zum Jahr 2010 zum Teil in das Gesundheitssystem integriert werden, glaubt der Mediziner. Weltweit arbeiteten nach Jains Einschätzung derzeit rund 140 Pharmafirmen an personalisierter Medizin, darunter GlaxoSmithKline und Hoffmann-La Roche.

Die Biologie als ein komplexes System zu begreifen, forderte Prof. Dr. Hans Lehrach, Direktor am Max Planck Institut für Molekulare Medizin in Berlin-Dahlem. Aus den enormen Datenmengen, die aus der Genom- und Proteomforschung, der Struktur- und Funktionsaufklärung einzelner Proteine sowie weiterer Forschungsgebiete gewonnen werden, könnten mit Computer-Hilfe Modelle entwickelt werden, die zum Beispiel Voraussagen zur Wirksamkeit bestimmter Substanzen bei einzelnen Patienten zuließen. Die Systembiologie könne sich in fünf bis zehn Jahren in der Molekularen Medizin durchsetzen, schätzt Lehrach.

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