London (dpa) Das Gehirn des Menschen hat ein weit höheres Potenzial zur Erneuerung als bislang angenommen - nutzt es aber offensichtlich nicht. Bei der Analyse von Hirngewebe fanden US- Forscher Vorstufen für
Nervenzellen in der Wand eines mit Flüssigkeit gefüllten Hohlraums. Auch bei Nagern seien in diesem so genannten Lateral-Ventrikel neuronale
Stammzellen gefunden worden, berichten die Wissenschaftler um Arturo Alvarez-Buylla von der Universität von Kalifornien in San Francisco im Fachjournal «Nature».
neuronale Stammzellen sind «unreife»
Zellen, aus denen sich alle Typen von Hirnzellen entwickeln können. Bei Nagern wandern die im Stammzellen aus dem Lateral-Ventrikel zum Riechkolben - die für den Geruchssinn zuständige Hirnregion - und bilden täglich tausende neue
Neuronen aus. Sie ersetzen abgestorbene oder durch eine Verletzung zerstörte Zellen. Beim Menschen wurde eine solche Wanderung von Stammzellen nicht gefunden - den Forschern zufolge ist dies eine mögliche Erklärung für unseren vergleichsweise schlechten Geruchssinn.
Unter Laborbedingungen entwickeln sich auch Stammzellen aus dem menschlichen Gehirn zu verschiedenen Hirnzelltypen. In den meisten Hirnregionen eines Erwachsenen jedoch werden einmal zerstörte Nervenzellen nicht ersetzt. Das komplizierte neuronale Netzwerk des Menschen akzeptiere «Neuankömmlinge» vermutlich nicht, schreibt Pasko Rakic von der Yale-Universität in New Haven (US-Staat Connecticut) in einem Begleitartikel (
BD. 427, S. 685).
Mediziner möchten mit Stammzellen einmal
neurologische Erkrankungen behandeln, bei denen Zellen oder ganze Hirnregionen zerstört werden, wie Parkinson und Alzheimer, aber auch Schlaganfälle, Schädelhirntraumen und Entzündungen. Dafür müssten nun vor allem die Mechanismen entschlüsselt werden, die eine Wanderung der Stammzellen im Gehirn auslösen, schreibt Rakic. Wichtig sei auch, mehr über den Verbleib der neu entdeckten Stammzellen zu erfahren, die auch eine mögliche Ursache für
Hirntumore sein könnten.