Eine einheitliche Regulierung des Handels mit GVO-Produkten ist schwierig aber notwendig

Widersprüche zwischen internationalen juristischen Regelwerken

11.02.2004
Welche Bestimmungen sollen für den internationalen Handel mit Produkten gelten, die gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten? Genfer Forschende aus dem Bereich des internationalen öffentlichen Rechts halten es für äusserst wichtig, dass Verfahren zur Risikoevaluation erarbeitet und international anerkannte Normen definiert werden. Mit ihrem Ansatz bewegen sich die Forschenden an der Schnittstelle zwischen Handelsinteressen sowie ökologischen und gesundheitlichen Anliegen. Gegenwärtig sind zwei internationale Rechtssysteme in Kraft, die den Handel mit GVO-Produkten regulieren: dasjenige der WTO und dasjenige des Cartagena-Protokolls über die biologische Sicherheit. Während die Welthandelsorganisation (WTO) den freien Handel zu erleichtern wünscht, will das Protokoll diesen sicherer machen und ihn - falls aus ökologischen und gesundheitlichen Gründen notwendig - auch einschränken. Bisher haben 70 Staaten, darunter die Schweiz, das Cartagena-Protokoll ratifiziert. Die USA hingegen haben ihre Unterschrift unter diese internationale Vereinbarung verweigert. Sind die genannten Rechtssysteme miteinander vereinbar, zumal gerade der Handel mit genveränderten Lebensmitteln einen Zankapfel zwischen den USA und der EU bildet? Und wie könnte eine allgemeine Regelung des internationalen Handels mit GVO-Produkten aussehen? An einer Lösung dieser Fragen arbeitet mit der Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) ein Genfer Forschungsteam aus dem Bereich des internationalen öffentlichen Rechts: Die beiden Professorinnen Anne Petitpierre und Laurence Boisson de Chazournes sowie Urs P. Thomas und Makane Moise Mbengue verbinden hierbei Probleme des internationalen Rechts mit konkreten und höchst aktuellen Entwicklungen. Dabei können die Forschenden auf die Unterstützung von Experten des BUWAL (Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft) zählen. Für die Forschenden und Experten steht fest, dass eine Klärung des Verhältnisses zwischen den WTO-Regeln und den Regeln von internationalen Umweltabkommen wie dem Cartagena-Protokoll einer grundsätzlichen juristischen Klärung bedürfen. Eine verbesserte Analyse des Vorsorgeprinzips Die Forschenden plädieren einerseits für eine verbesserte Analyse des Vorsorgeprinzips. Letzteres - im Cartagena-Protokoll definiert - erlaubt den Mitgliedstaaten die Beschränkung von Importen, falls bei den einzuführenden Produkten wissenschaftlich begründete Zweifel geltend gemacht werden können. Das Protokoll von Cartagena soll den Weg zu einer Umsetzung des Vorsorgeprinzips ebnen, indem es u.a. vorschreibt, dass GVO-Lebensmittel entsprechend zu kennzeichnen sind. Andererseits sprechen sich die Forschenden für eine bessere Respektierung von nicht-Handels-Anliegen in der WTO aus. «Fortschritte beim internationalen Management von Risiken im Bereich der GVO-Produkte könnten zu einer klärenden Diskussion beitragen», erklären die Genfer Forschenden, «und so letztlich zu einer Harmonisierung unterschiedlicher Rechtssysteme beitragen.» Dies geschieht gegenwärtig im Rahmen zweier Foren der UNO, der Internationalen Pflanzenschutz-Konvention sowie dem Codex Alimentarius, einer von FAO und WHO erarbeiteten Zusammenstellung internationaler Nahrungsmittelnormen, die im Bereich der Lebensmittelsicherheit richtungsweisend sind. In diesen Foren wird namentlich angestrebt, gemeinsam Methoden zur Analyse der Risiken von GVO in gesundheitlicher Beziehung und aus Sicht des Pflanzenschutzes zu erstellen. Ausserdem sollen Normen, Standards und Richtlinien zur Evaluation von GVO-Nahrungsmitteln definiert werden. «Diese beiden Instrumente, die Konvention und der Codex, bilden Referenzpunkte für die Abkommen der WTO und könnten in Zukunft dazu beitragen, das System der WTO mit demjenigen des Protokolls von Cartagena in Einklang zu bringen», erklärt das Forschungsteam. Denn der Wortlaut sowohl der Konvention als auch des Codex sind mit dem WTO-Recht vereinbar. Wichtig wäre nach Ansicht der Forschenden allerdings, dass der Prozess zur Ausarbeitung und Umsetzung der Normen im Rahmen einer transparenteren und demokratischeren Entwicklung stattfinden würde. Vernetzung unterschiedlicher Bereiche klären Die Forschenden setzen somit ihre Hoffnung darauf, dass die von der Allgemeinheit vertretenen Meinungen, der Standpunkt der NGOs, der Medien und anderer Interessengruppen stärker berücksichtigt werden, sowohl im Hinblick auf die Festlegung der Normen als auch auf die Risikoevaluation und natürlich auf die Beilegung der vor die WTO getragenen Streitfälle. Damit leistet die Genfer Forschungsgruppe einen Beitrag zur Klärung der Vernetzung unterschiedlichster Bereiche wie ökonomischer, handlungsorientierter Fragen einerseits sowie gesellschaftlicher Werte und demokratischer Entscheidungsfindungsprozesse andererseits. In der Tat haben die Genfer Forschenden spezifische Aspekte dieser Problematik im Rahmen sogenannter Runder Tische diskutiert, an denen Vertreterinnen und Vertreter von Universitäten aus dem In- und Ausland, von UNO-Organisationen (insbesondere WHO und UNCTAD), von NGOs, der WTO, der OECD, der Europäischen Kommission, dem BAG (Bundesamt für Gesundheit) und dem BUWAL Platz nahmen. Diese Gespräche haben auch im Hinblick auf die gespannten Beziehungen zwischen den USA und der EU im Bereich des Handels mit GVO-Produkten stattgefunden; denn bekanntlich reichten die USA vor einiger Zeit bei der WTO Beschwerde gegen das EU-Moratorium für den Import von GVO-Produkten ein. Kürzlich hat die EU zwar rechtliche Richtlinien zur Deklarierung von GVO-Lebensmitteln erlassen, eine Entscheidung über die Aufhebung des Moratoriums ist jedoch anfangs Dezember 2003 ins kommende Jahr vertagt worden. Unabhängig davon sind die Gegensätze zwischen der Liberalisierung des Handels und der Gewährleistung der biologischen Sicherheit noch keineswegs geklärt. In einer geplanten nächsten Projektphase werden die Genfer Forschenden das rechtliche Verfahren zur Begründung wissenschaftlich umstrittener Handelshemmnisse vertieft untersuchen.

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