Abwasser ohne Medikamentenrückstände dank neuer Aufbereitungsmethode

Spurenstoffe vollständig beseitigen

16.05.2018 - Deutschland

Medikamentenrückstände in Abwässern stellen die kommunale Wasseraufbereitung vor neue Herausforderungen. Mit etablierten Verfahren können sie nur unzureichend entfernt werden. Ein am Fraunhofer IKTS entwickeltes Aufbereitungsmodul schafft nun Abhilfe und entfernt diese Schadstoffe vollständig.

© Fraunhofer IKTS

Aufbereitungsmodul mit integrierten Ultraschallsensoren zur vollständigen Entfernung von Medikamentenrückständen.

In Deutschland werden jährlich ca. 38.000t an Medikamenten, darunter Hormone, Antibiotika und Virostatika, verbraucht. Deren Rückstände finden sich verstärkt im Abwasser von Ballungsräumen. Von dort gelangen sie auch ins Grund- und Oberflächenwasser. Sie können mit konventioneller Klärwerks- und Wasseraufbereitungstechnik meist nur schwer entfernt werden. Zwei sehr bedenkliche Trends werden damit in Zusammenhang gebracht: Die zunehmende Verbreitung multiresistenter Mikroorganismen und die Zunahme von Fruchtbarkeitsstörungen.

Mit Hilfe elektrochemischer Verfahren können Medikamentenrückstände vollständig abgebaut werden. Diese werden dabei an der Anode einer Elektrolysezelle elektrochemisch umgesetzt, so dass am Ende nur noch Kohlendioxid übrig bleibt. Allerdings sind die bisher verwendeten Anoden aus bordotiertem Diamant mit einem Quadratmeterpreis von derzeit ca. 16.000€ dafür viel zu teuer. Um die Elektroden deutlich preiswerter zu fertigen und die Abbauraten zu steigern, verfolgt das Fraunhofer IKTS zwei Ansätze.

Kostengünstige Anodenmaterialien in Kombination mit Ultraschall

Zum einen wurden edelmetallfreie halbleitende Mischoxidphasen als alternatives Anodenmaterial entwickelt. Als besonders effektiv haben sich dabei Zinn-Antimonoxid-basierte Systeme erwiesen. Bei gleicher Funktionsweise und Lebensdauer kosten sie nur ein Zehntel im Vergleich zu bordotiertem Diamant.

Zum anderen bringen die Wissenschaftler des Fraunhofer IKTS das Abwasser mittels Ultraschall zum Schwingen, um den Stofftransport an der Elektrode zu intensivieren und somit noch größere Abbauraten zu realisieren. Das wird erreicht, indem durch den Ultraschall die Dicke der sogenannten Diffusionsschicht auf der Anode minimiert wird. Die Schicht wirkt als eine Art Reaktionsbarriere und verlangsamt somit deren Zerstörung.

Elektroden-Sonotroden-Modul auf Basis keramischer Materialien

Nicht nur die Verfahrenskombination ist raffiniert, sondern auch der Aufbau des entsprechenden Elektroden-Sonotroden-Moduls. Der Ansatz besteht darin, die Ultraschallsensoren direkt auf die keramische Elektrode zu drucken, so dass diese selbst wie eine Feder in Schwingung versetzt wird. Damit verbessert sich der Stofftransport zur Elektrode enorm. Möglich wird dies durch keramische Materialien und Technologien. Das Fraunhofer IKTS verfügt über die gesamte technologische Kette – von der Entwicklung der Funktionsmaterialien, dem Siebdruck der Ultraschallaktoren, über geeignete Verbindungstechniken zum Kontaktieren der Elektrode bis hin zur Systemintegration. Zudem besteht ein umfangreiches Know-how im Bereich der elektrochemischen Verfahrenstechnik, was die Basis für die erfolgreiche Behandlung von belasteten Abwässern bildet. Diese ineinandergreifenden Kompetenzen eines Forschungsinstituts sind einmalig in Europa.

Im Labormaßstab wurde kürzlich ein überzeugender Funktionsnachweis des neuen Elektroden-Sonotroden-Moduls erbracht und daraufhin ein Patent angemeldet. »Angesichts der positiven Ergebnisse sehen wir nun ein Upscaling als realistisches Ziel. Dafür wird ein elektrochemischer Reaktor entwickelt und im technischen Maßstab erprobt«, sagt Diplomchemiker Hans-Jürgen Friedrich, Gruppenleiter »Technische Elektrolyse« am Fraunhofer IKTS in Dresden. Das Elektroden-Sonotroden-Modul soll künftig auch in anderen Sektoren eingesetzt werden, wie zur Zerstörung von Nitroaromaten, Weichmachern, Herbizidrückständen oder anderen toxischen Stoffen in gewerblichen Abwässern. »Anwendungen im Bereich der chemischen Synthese und in der Sensortechnik stehen ebenso im Fokus«, ergänzt Projektleiter Hans-Jürgen Friedrich.

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