Genforscher Venter gibt überraschend Leitung von Celera Genomics ab

23.01.2002
Rockville/Frankfurt/Main (dpa) - Der amerikanische Genforscher Craig Venter, der maßgeblich an der Kartierung des menschlichen Erbguts beteiligt war, hat die Leitung der von ihm mit gegründeten Firma Celera Genomics überraschend abgegeben. Die «Washington Post» berichtete auf ihrer Webpage, Venter habe am Freitagmorgen (Ortszeit) das Amt des Präsidenten und Geschäftsführers niedergelegt. Nach Informationen der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Mittwochausgabe) soll er dem Unternehmen aber als Chef des wissenschaftlichen Beraterstabes verbunden bleiben. Venter hatte vor 18 Monaten im Weißen Haus in Washington zusammen mit dem Leiter des Human Genome Project, Francis Collins, die ersten «Landkarten» von den rund 30 000 Genen im Erbgut des Menschen vorgestellt. Schon im April 2000 hatte Celera mitgeteilt, das Erbgut sei fast vollständig kartiert. Venter war es mit einem Bruchteil von Forschern und Mitteln gelungen, bei dem Rennen um die Entschlüsselung des Genoms mit dem Humangenomprojekt gleich zu ziehen. Zuvor hatte Venter schon das Erbgut der Fruchtfliege Drosophila kartiert und liegt dem Vernehmen nach auch bei dem Maus-Genom in Führung. Laut «Washington Post» war unmittelbar nach Venters Rücktritt von der Firmenspitze nicht ersichtlich, ob der Schritt persönlich motiviert war oder unter Druck erfolgte. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» berichtete, Venter sei abgesetzt worden. Eine Firmenerklärung betonte, dass neue Manager erforderlich seien, um Celeras Erfolge in der Genomforschung gewinnträchtig in Pharmaprodukte umzusetzen. Eines der Ziele der Genomforschung ist, in Zukunft «maßgeschneiderte» Medikamente anbieten zu können, die die genetischen Eigenheiten von Patienten berücksichtigen. Diese Richtung ist nach Worten der «Washington Post» «nicht Venters Stärke». Der Genomforscher Venter hatte sich nach seiner Beschäftigung bei den staatlichen US-Gesundheitsforschungsinstituten (National Institutes of Health/NIH) in Bethesda selbstständig gemacht und eine eigene Firma gegründet. Im Wettlauf mit dem Humangenomprojekt schloss er sich 1998 mit dem Hersteller von superschnellen Decodierungscomputern, Applera in Norwalk (Connecticut), zusammen. Aus dem Bündnis ging die Tochtergesellschaft Celera Genomics in Rockville (Maryland) hervor, die bahnbrechende Arbeiten in der Genomforschung leistete. Trotz dieser Erfolge gab es der «Washington Post» zufolge starke Spannungen zwischen Celera-Präsident Venter und dem Geschäftsführer der Muttergesellschaft Applera, Tony White, die jetzt zum Rücktritt des weltweit anerkannten Wissenschaftler geführt haben könnten.

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