Hauptschalter für die Entwicklung von Blutzellen entdeckt

29.11.2005

Bisher kennt die Forschung rund 20 Genschalter, welche die Entwicklung der verschiedenen Blutzellen aus den Blutstammzellen des Knochenmarks steuern. Eine zentrale Rolle unter diesen so genannten Transkriptionsfaktoren spielt dabei der Genschalter PU.1. Er steuert die Entwicklung zweier großer Blutzell-Linien des Immunsystems, einmal der Lymphozyten, zum anderen der myeloischen Blutzellen. PU.1 reguliert auch die Entwicklung der Blutstammzellen, und stellt damit sicher, dass sich immer wieder neue Blutzellen bilden.

Der Zellbiologe Dr. Frank Rosenbauer, der kürzlich von den Harvard Institutes of Medicine in Boston, USA, mit Förderung aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds des Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft als Nachwuchsgruppenleiter an das zu dieser Forschungsgemeinschaft gehörende Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch berufen worden ist, hat im Tierversuch einen Hauptschalter für PU.1 nachgewiesen. Dieser Hauptschalter, kurz URE (upstream regulatory element) genannt, dreht den Genschalter nicht einfach an- oder aus, sondern kann ihn auch fein steuern, wie Dr. Rosenbauer jetzt erstmals zeigen konnte. Je nachdem, ob URE den Genschalter hoch- oder herunterreguliert, bilden sich aus den Vorläuferzellen der Lymphozyten entweder B- oder T-Zellen. Fehlt URE, entwickeln die Tiere eine Reihe verschiedener Blutkrebsformen, an denen sie innerhalb weniger Monate sterben.

Was die Entwicklung der T-Zellen angeht, so konnten Dr. Rosenbauer und seine Kollegen weiter zeigen, dass der Hauptschalter URE in einen Signalweg eingebunden ist, den Forscher wnt-pathway nennen. Er spielt eine entscheidende Rolle für die Entwicklung eines komplexen und gesunden Organismus und reicht von der Oberfläche einer Zelle bis in den Zellkern mit der genetischen Schaltzentrale. Während der T-Zell-Entwicklung wird der wnt-Signalweg normalerweise abgeschaltet, was dazu führt, dass der Hauptschalter URE den Genschalter PU.1 stilllegt. Ist die Signalübertragung auf diesem Informationskanal jedoch gestört, kann PU.1 nicht richtig abgeschaltet werden. Die Folge: die T-Zellen reifen nicht aus und es entstehen Fehlbildungen und Tumore. "Die Deregulation von PU.1 bereitet die Plattform für weitere Mutationen in den Blutstammzellen bzw. Vorläuferzellen und damit für die Entstehung einer Reihe verschiedener Blutkrebsformen" erläutert Dr. Rosenbauer die Bedeutung dieses Prozesses. Als Nächstes wollen die MDC-Forscher zusammen mit Blutkrebsspezialisten aus der Charité-Universitätsmedizin Berlin Patientenblut untersuchen, um festzustellen, ob die aus den Tierversuchen gewonnenen Erkenntnisse auch bei Störungen der Blutzellentwicklung des Menschen nachweisbar sind.

Originalveröffentlichung: F. Rosenbauer, B. M. Owens, L. Yu, J. R. Tumang, U. Steidl, J. L. Kutok, L. K. Clayton, K. Wagner, M. Scheller, H. Iwasaki, C. Liu, B. Hackanson, K. Akashi, A. Leutz, T. L. Rothstein, C. Plass, D.l G. Tenen; "Lymphoid cell growth and transformation are suppressed by a key regulatory element of the gene encoding PU.1"; Nature Genetics 2005.

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